Ein Koffer voller Träume, mit der ganzen Welt darin – oder mit Nichts

Bananama | Simone Hirth besprochen von StefanieFreigericht am 27. Februar 2018.

Bewertung: 4 Sterne

„Vater sagt, wir sind Aussteiger. ….
Vater sagt: Die Leute verstehen keinen Humor.

Vater sagt: Du kannst jederzeit Bananen haben, wenn du Bananen willst, mein Kind. Aber du solltest wissen, woher diese Bananen kommen, unter welchen Bedingungen die Leute, die sie anbauen und ernten, leben müssen,… .“ S. 10
Vater sagt. Und er erklärt seiner Tochter, der noch nicht zehn Jahre alten Ich-Erzählerin dieser kurzen Geschichte, die Welt, seine Welt, seine Weltanschauung.

Das Kind sagt: „Das Wort Banane habe ich schon längst beerdigt.“ S. 11Sie beerdigt vieles, im Garten, Wörter, die ihr der Vater vermittelt, der sie bald daheim beschult (in Österreich ist das möglich, für alle deutschen Leser dieser österreichischen Autorin https://de.wikipedia.org/wiki/Hausunterricht, in Deutschland ist das geradezu ein Sakrileg). Auch Tiere werden von ihr beerdigt und vielleicht einige Träume. Währenddessen ordern die Eltern im Internet, einiges davon werden sie nie verwenden.

Vom Verlag Kremar & Scheriau erwarte ich das ja: besondere Bücher. Gewiss kein Mainstraim, nicht das gefällige Buch für nebenbei. Besondere Themen, ein besonderer Stil. Atmosphärisch schreibt Simone Hirth, meist düster. Ich mag mir das Alter der Protagonistin kaum vorstellen, der Klappentext behauptet sechs Jahre – ohne von mir gefundenen Beleg dazu im Text. Es wird nur auf S. 92 darauf verwiesen, die Tochter werde das Internet frühestens mit zehn Jahren benutzen dürfen, sie könnte also vielleicht (hoffentlich?) neun sein. Warum das wichtig ist? Das Buch verstört. Apokalypse oder psychische Krankheit (der Eltern? des Kindes?), Wahnvorstellung oder überbordende Phantasie, und wer, bitte schön, ist eigentlich tot? Vater sagt. „Der Bettler aber stand auf, ging zum Sozialamt und beantragte Mindestsicherung, die er dann auch bekam und von der er sich als Erstes atmungsaktive Turnschuhe, ein Smartphone und eine Espressomaschine im Retrodesign kaufte.“ S. 116

Aussteiger sind sie, aber mit einem goldenen Sicherheitsnetz. Dazu ein goldener Käfig für die Tochter, wenn auch nur mit ziemlich vielen Broten. Und die Mutter verändert sich. Und Vater sagt munter weiter, wie er die Welt sieht. Und die Tochter steht da und soll das verstehen und die Autorin schreibt darüber mit bildgewaltigen Bildern. „Jetzt gerade ist mir das Schweigen lieb. Es hat mehr Ende in sich.“ S. 133 Und überhaupt, der Koffer.

Kein Buch für Leser mit festen Erwartungen. Ich dachte bei dem Koffer permanent an dieses Ende von „Man in Black“, als der Blick von der Erde zurückgeht und die Erde in einer Murmel ist. So in etwa sollte man denken können. Das Buch wird Leserschaften spalten. Die Gestaltung ist wie immer phänomenal – von Lesebändchen über Vorsatzblätter passend zum Titel, Umschlaggestaltung von Cover und darunter.

Bewertung? Uff. Ich konnte es nicht aus der Hand legen, die Sprache ist genial, atmosphärisch, bildgewaltig, oft düster, und ich fühle mich jetzt…vermutlich genauso, wie sich das Mädchen dauernd fühlt. Fragen, Ängste, Befürchtungen. 4 Sterne (es könnten alles zwischen 3 und 5 sein, fragt mich morgen, übermorgen – im Moment ist es mir gerade „zu viel“). Ein Buch für eine Leserunde.

Hier ist ein Interview mit der Autorin https://www.schwarzwaelder-bote.de/inhalt.waldachtal-gehen-mitgefuehl-und-menschliche-waerme-verloren.bbfae0ef-16f0-424c-ae4c-807717c9e7f8.html

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