Veröffentlichungen zur brandenburgischen Landesarchäologie

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Inhalt
S. 7–26
B. Gramsch, Die Schmuckfunde von Friesack, Fundplatz 4, Lkr. Havelland

Zum Fundgut vom mesolithischen Moorfundplatz Friesack 4 gehören auch Schmucksachen: 52 gelochte Tier- und vier gelochte Menschenzähne, zehn knöcherne Anhänger sowie – bisher für das Mesolithikum einzigartig – eine gelochte Haselnuss-Schale. Diese Gegenstände werden detailliert beschrieben und archäologisch vergleichend ausgewertet. Sie gehörten zum Körperschmuck, wobei die an Ketten getragenen Tierzähne zugleich Trophäencharakter hatten, während die Menschenzähne wohl eher intim-persönliche Beziehungen zum Ausdruck bringen, namentlich der Zahn eines verstorbenen Kindes. Die Knochenanhänger stammen möglicherweise von Klappergehängen, wie sie ethnologisch von Schamanen bezeugt sind.

Finds from the Mesolithic camp site Friesack 4 also include ornaments: 52 perforated animal teeth, four perforated human teeth, ten bone pendants, as well as one perforated Hazelnut shell—to date, a unique find from the Mesolithic. These items will be described in detail and comparatively evaluated.
The finds are classified as body ornamentation, whereby the animal teeth—worn as necklaces—may have functioned as trophies. The human teeth, namely one of a deceased child, most likely represent expression of personal relationship. The bone pendants possibly originate from rattles, the use of which is an ethnologically attested element of shamanic practice.

S. 27–36
B. Gramsch, H. Ullrich, Menschliche Skelettreste und Schmuckzähne vom mesolithischen Moorfundplatz Friesack 4, Lkr. Havelland

Unter dem Fundgut der mesolithischen Moorstation Friesack 4 befinden sich 18 Knochenfragmente und Zähne vom Menschen, u. a. vier gelochte Schmuckzähne. Sie gehören dem Prä- und Frühboreal sowie dem älteren Atlantikum an. Die Knochenfragmente werden als Relikte von mesolithischen Bestattungen auf dem Wohnplatz oder in dessen Nähe gedeutet, die sekundär in die subaquatisch abgelagerten Sedimente des Gewässers neben dem Siedelplatz gelangt sind. Die gelochten Zähne stammen möglicherweise ebenfalls aus zerstörten Gräbern. Eventuell gingen sie auch auf dem Wohnplatz selbst verloren und gerieten erst mit dem Sediment in die Fundposition. Bemerkenswert ist ein gelochter, also als Schmuckzahn zugerichteter Molar eines Kindes, der noch nicht durchgebrochen war und erst nach dem Tode des Kindes extrahiert wurde.

Present among finds from the Mesolithic camp site Friesack 4 dating to the Preboreal, Early Boreal and the Early Atlantic periods are 18 bone fragments and human teeth, among others, four perforated for use as ornaments.
The bone fragments, which were subject to secondary deposition in the limnic sediments next to the living area, are interpreted as relics of Mesolithic burial practice in the camp area or nearby. Likewise, the perforated teeth possibly originate from destroyed graves that very possibly also became lost within the living area and found their way into the sediments.
Notable is a child’s perforated molar that had not yet erupted and was extracted post mortem.

S. 37–141
Jonas Beran, Günter Wetzel, Die neolithische Siedlung der Michelsberger Kultur Wustermark 21, Lkr. Havelland
Mit einem Beitrag von Helmut Kroll

Im Nahbereich frühneolithischer Siedlungskonzentrationen auf der Nauener Platte und an der Wublitzrinne wurden Reste einer Michelsberger Siedlung vom Beginn des 5. Jts. entdeckt. 32 Befunde lassen neben Pfosten- auch Speichergruben und Material-entnahmestellen erkennen. Mögliche Gruben-hausgrundrisse sind nicht gesichert. Das weitgehend unverzierte Fundmaterial enthält neben Gefäßen mit Trichtermündung – Ösenflaschen, Schalen, Vorratsgefäßen, u. a. mit Schlickrauung – Schöpfern/Löffeln und Backtellern/Tonscheiben auch eine Kanne Schussenrieder Prägung. Typische Arkadenränder und subkutane Henkelösen unterstützen die kulturelle Zuordnung. Als Lesefund liegt eine dreieckige Pfeilspitze vor. Der Fundplatz weit nordöstlich außerhalb der Michelsberger Ökumene wirft erstmals ein Schlaglicht auf die mögliche Entwicklung oder Beeinflussung der frühen Trichterbecherkultur des Raumes.

In proximity to Early Neolithic settlement clusters on the Nauen Plateau and Wublitz channel the remains of a settlement belonging to the Michelsberg culture dating to the beginning of the 5th millennium BC were discovered. Thirty two contexts including postholes, storage pits and mineral extraction pits were identified. Pit houses, however, were not found. The predominantly undecorated wares contain—in addition to tulip beakers—lugged vessels, bowls, storage vessels (some with rough slip coating), ladles/spoons, clay platters and a jug displaying Schussenried culture decoration. Typical arcade rims and subcutaneous lugged handles support the cultural affiliation. A triangular arrowhead was recorded as a stray find. The site, which lies far to the northeast of the Michelsberg ecumenical sphere, highlights—for the first time—possible development or influence of the early Funnel Beaker culture in this region.

S. 143–162
K. Schirmer, Untersuchungen auf dem Turmberg von Lebus, Lkr. Märkisch-Oderland, im Jahr 2012
Fast 40 Jahre nach dem Ende der jahrzehntelangen Forschungsgrabungen auf dem Lebuser Turmberg fand dort 2012 im Zusammenhang mit Bauarbeiten erneut eine archäologische Untersuchung statt. Es gelang, bisher nicht bekannte mittelalterliche Bauwerke sowohl außerhalb als auch innerhalb der spätmittelalterlichen Bischofsburg zu lokalisieren und auschnitthaft zu dokumentieren. Von besonderer Bedeutung ist der Nachweis eines großen Rundturms (Bergfried) innerhalb der Burganlage, der aus dem 13. Jh. stammt. Bereits bekannte Bauwerksreste wurden noch einmal freigelegt und neu vermessen. Die Ergebnisse der Untersuchung werfen neue Fragen auf, insbesondere zur Südausdehnung der spätmittelalterlichen Bischofsburg.

Nearly 40 years after the completion of the decade long research excavations on Lebus’ Turmberg construction work has led to a new archaeological investigation. The excavation located and recorded parts of hitherto unknown medieval buildings inside and outside the Late Medieval Bischofsburg (bishop’s-castle).
Of special note is the discovery within the castle compound of a substantial round tower (Bergfried), which dates to the 13th century. Previously recorded building structures were, once again, unearthed and surveyed anew. The results of the excavation raise new questions regarding the southern extent of the Late Medieval Bischofsburg.

S. 163–180
K.-H. Otto (†), Die Ausgrabungen von 1938 bis 1974 auf dem Burgberg von Lebus, Lkr. Märkisch-Oderland. Nachgelassenes Manuskript
Der Aufsatz stellt im Überblick die Ausgrabungen zwischen 1938 und 1974 auf dem Lebuser Burgberg vor. Dabei ging es dem Autor nicht um eine erschöpfende Auswertung der umfangreichen Arbeiten, er wollte vielmehr den Fortgang der Untersuchungen dokumentieren, die sich durch die Kriegsunterbrechung und vor allem den kompletten Verlust der Unterlagen zu den Grabungen von 1938 bis 1944 sehr schwierig gestalteten. Otto zeichnet ein übergreifendes Bild des Burgbergs von den ältesten Befunden der Bronzezeit über die mittel- und spätslawische Phase bis hin zur Errichtung der mittelalterlichen Burgen, wobei er das Fundmaterial nur streift. Eine komplette Auswertung der Funde und Befunde steht weiterhin aus. Lediglich die mittelalterliche Keramik liegt in einer Bearbeitung von Hans-Joachim Stoll vor. Dessen Ende der 1970er-Jahre entstandenes Manuskript erscheint ebenfalls in diesem Band. Grund für das Aufgreifen der beiden im Archiv des BLDAM aufbewahrten Schriften ist die von Kai Schirmer beschriebene spektakuläre Entdeckung eines weiteren Rundturms im Hof der Bischofsburg auf dem Turmberg.

The article reviews excavations undertaken between 1938 and 1974 on the Lebus Burgberg. The author’s intention is not an exhaustive appraisal of the extensive fieldwork, but rather a record of the progress of the investigations, which, owing to the war-time hiatus and the complete loss of site records from 1938 to 1944, was an extremely difficult task.
The article paints a comprehensive picture of the Burgberg from the oldest Bronze Age contexts via the Middle and Late Slavic periods up until the construction of the Medieval castles, but takes only a superficial look at the find material. Indeed, a complete evaluation of the contexts and finds is still outstanding. The only publication to date is that of the Medieval pottery by Hans-Joachim Stoll, whose manuscript from the end of the 1970s appears in this volume.
The reason for a reappraisal of these works from the archives of Brandenburg’s Heritage Service is Kai Schirmers’ spectacular discovery of a further round tower within confines of the Bischofsburg (bishop’s castle) on the Turmberg.

S. 181–218
K.-H. Stoll, Die spätmittelalterliche Keramik vom Turm-, Schloss- und Pletschenberg in Lebus, Lkr. Märkisch-Oderland
Mit Anmerkungen und einem Nachtrag von J. Henker

Die Ausgrabungen auf dem Lebuser Burgberg erbrachten eine große Menge an Fundmaterial, von der späten Bronzezeit bis in die Neuzeit. Der Beitrag behandelt die Keramik des Mittelalters. Obwohl bereits Ende der 1970er-Jahre geschrieben, stellt er das Material doch in die grundsätzliche Entwicklung mittelalterlicher Gefäß- und Ofenkeramik und beleuchtet so einen wichtigen Teil der Sachkultur in einer Burg der Zeit vom 13. bis zum 15. Jh. Anpassungen an die heute gebräuchlichen Fachbegriffe wurden nicht vorgenommen, eine Nachbemerkung korreliert die damals übliche Terminologie mit der heutigen.
Der Autor betrachtet die Keramik in formenkundlicher und technischer Hinsicht. Er behandelt dabei alle Aspekte der Formen, wie Rand- und Bodenausbildung, Henkel, die Materialarten sowie die Verzierungen.

Excavations on Lebus’ Burgberg brought a great amount finds to light dating from the Late Bronze Age to the Post Medieval period. This contribution examines the Medieval pottery.
Although written at the end of the 1970s, Stoll’s work places the material within the fundamental research framework of Medieval ceramics and so illuminates an important aspect of the material culture of a castle in the 13th to 15th centuries. The author’s work has not been revised, and an afterword correlates obsolete terminology with contemporary standard technical terms.
Stoll evaluates the ceramics with regard to form and technical characteristics, and embraces all aspects of form, such as rim and base characteristics, handles, the materials and the decoration.

S. 219–253
F. Biermann, R. Bräunig, J. Müller, M. Specht, Von der Stein- bis in die Neuzeit – Ausgrabungen am Molkenmarkt 21/22 in der Stadt Brandenburg an der Havel

Eine Rettungsgrabung am Molkenmarkt 21/22 in der Neustadt von Brandenburg a. d. H. erbrachte trotz ihrer kleinen Fläche bemerkenswerte Resultate zur Stadtgeschichte. Über vorgeschichtlichen Siedlungs- und spätslawischen Bestattungsbefunden lagen gut erhaltene Relikte städtischer Besiedlung vom Mittelalter bis in die Neuzeit, überwiegend Bauspuren wie Holzkeller, sonstige Gruben und Pfostenlöcher. Etliche Jahrringdaten aus Holzkohlen, ein größerer Keramik- und Kleinfundkomplex sowie einige Münzen ermöglichen eine zuverlässige Datierung der komplexen Stratigrafie. Unter den Funden sind die Fragmente früher importierter Glasurwaren sowie ein schöner Geweih-Spielstein hervorzuheben. Der Aufsatz legt Befunde und Funde vor, analysiert sie vor dem Hintergrund der Stadtgeschichte und widmet sich Fragen der Grundstücksentwicklung, der städtischen Bauformen und der urbanen Sachkultur des Mittelalters.

Despite its small area, a rescue excavation at Molkenmarkt 21/22 in the Neustadt district of Brandenburg on the Havel generated remarkable findings regarding the town’s history. Above prehistoric settlement contexts and Late Slavic burials lay well preserved relics of urban settlement from the Middle Ages to the Post Medieval period: mostly traces of construction such as wooden cellars, sundry pits and postholes. Dendrochronological dates from charcoal, a large inventory of ceramics and small finds, together with a number of coins allow reliable dating of the complex stratigraphy. Notable among the finds are fragments of earlier imported glazed ware, as well as a pretty gaming piece made of antler.
The article presents contexts and finds, analyses them within the framework of the town’s history and addresses questions concerning the development of ground plots, building forms and Medieval urban material culture.

S. 255–260
S. Brather, Th. Kersting, Klaus Grebe 1.  4. 1935 – 12.1.  2013