Sven Recker: „Fake Metal Jacket“

Fake Metal Jacket | Sven Recker besprochen von Hauke Harder am 4. April 2018.

Bewertung: 5 Sterne

Ein zynischer, dunkler und packender Roman über das Zeitalter der schnelllebigen Medien, Meinungsbildung und technischen Produzierbarkeit. Bilder sind in den neuen Medien wichtiger als lange Reportagen und Texte. Die passende Schlagzeile und ein guter Aufhänger garantieren eine zügige Verbreitung und neue Leser, d.h. Follower. Bilder müssen authentisch sein und können daher auch gerne geknipst wirken, wenn es zum Thema passt. Damit es funktioniert, sollte das Bildmaterial mit ein wenig Fakten und einem Hauch an Wahrheit gewürzt veröffentlicht werden.

Der Roman handelt von Peter Larsen. Er ist Journalist, d.h. ein Kriegsreporter, der sich gerne lieber Krisenreporter nennt. Seine Reportagen handeln vom Krieg, Kriegsopfern, Flüchtlingen und Katastrophen. Er zeigt die Welt wie sie ist und ist mit seinen Beiträgen immer dicht am Geschehen. Er ist unerschrocken und scheut auch nicht das offene Gespräch mit Schleusern und Warlords. Er zeigt seinen Lesern die unverblümte Wahrheit und postet mindestens einmal täglich live aus aller Welt.

Nur das Ganze hat einen kleinen Haken. Er ist der moderne Karl May, der die Welt nicht kennt und sie nur reproduziert und ablichtet. Er zeigt dass, was gesehen werden will.  Seine Beiträge sind alle gefälscht. Ein kaputtes Haus ist ein kaputtes Haus und für ein Foto oder für eine Filmaufnahme ist es egal, wo dies steht. Das Flüchtlingsboot ist ein Fischerboot am nahegelegenen See in Brandenburg und die syrischen Flüchtlinge sind angeheuerte afghanische Asylbewerber. Die „Wahrheit“ wird dann von Peter Larsen am Rechner zusammengeschnitten. Er ist ein feiger Zyniker, der bisher mit seiner Masche gut durchkam. Er recherchiert alles im Internet und baut sich daraus seine Story. Hauptsache sie entspricht den Erwartungen seiner Leserschaft. Dann macht er einen kleinen Fehler: sein Gesprächspartner soll bereits wenige Tage vor dem Gespräch im Krieg tot aufgefunden worden sein. Doch auch hierfür lässt sich bestimmt eine Lösung finden.

Peter Larsen denkt sich auf der richtigen Seite und das gäbe ihm das Recht für sein Handeln. Sein eingeweihter Freund und Komplize ist Ahmad. Dessen Cousine, Leila, meldet sich bei ihnen, da sie in Syrien Hilfe benötigt. Sie will nach Deutschland und, da sie nebenbei auch noch bildschön ist, plant Peter erstmalig eine wirkliche Reise. Doch diese Gelegenheit, mit sich und der Welt ins Reine zu kommen, gestaltet sich bereits beim richtigen Lesen der Flugtickets als schwierig und seine Reise wird immer mehr zu einem Abenteuer und immer gefährlicher. Als Peter auf Leila trifft ist alles anders als gedacht. Peter wird erpresst und gefangen gehalten und soll ab sofort zugunsten des Assad-Regimes berichten.

Das Buch ist schwarz und sehr aktuell. Der Titel ist eine Anspielung auf den Film von Stanley Kubrick über ein Ausbildungslager der US-Marines, sowie im darauffolgenden Vietnamkriegseinsatz. Die (Re)Produzierbarkeit von Wahrheiten und Fake-News werden in diesem Roman auf die Spitze getrieben. Kann man wirklich allen Bildern trauen? Ist nicht alles aus einer Schnelllebigkeit und Beliebigkeit gewachsen? Alles soll in kurzen Textfragmenten und Bildern erfassbar sein, denn auf den Leser oder Zuschauer wartet doch bereits die nächste Neuigkeit, die Aufmerksamkeit für mindestens wenige Sekunden verlangt. Sven Recker, Katastrophenhelfer und Journalist, schreibt über eine Medienwelt, in der er sich auskennt.

zuerst veröffentlicht auf www.leseschatz.de 

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