Unity Mitford

Ich blätterte gerade in der Vogue da sprach mich der Führer an | Michaela Karl besprochen von Janina am 23. August 2018.

Bewertung: 5 Sterne

Michaela Karl schreibt einfach wirklich lesenswerte Biographien. Erst kürzlich habe ich ihr Buch über New Yorks spitzeste Feder Dorothy Parker gelesen, nun folgte ihr neuestes Werk über Unity Mitford. Was die Bücher Frau Karls ausmacht ist die sehr gute Recherche, der nachvollziehbare Aufbau ohne unnötiges Namedropping und die durchgehend spannende Ausarbeitung. Zusammenhänge klar zu erklären und dabei charmant zu erzählen, das Talent hat wahrlich nicht jeder…
Diesmal also Unity Mitford. Aber wer zum Henker ist das? Ein leises Klingeln hatte ich im Hinterkopf beim Namen Mitford, jedoch in Verbindung mit dem Namen Nancy. Und, bingo, Unity ist eine der sogenannten Mitford Schwestern, die in den Zwanziger und Dreißiger Jahren des letzten Jahrhunderts Englands Tageszeitungen recht häufig zierten.
Die Mitford Schwestern sind die sieben Töchter von Lord und Lady Redesdale. Aufgewachsen in, für die Zeit, erstaunlicher Freiheit auf dem Lande und nicht an eigener Meinungsbildung gehindert, werden sie genauso schön wie exzentrisch. Nancy und Diana, Unitys ältere Schwestern, sind gern gesehene Ballgäste, weltoffen, mit großem Freundeskreis. Unity dagegen gilt früh schon als schwierig und aufmüpfig. Als Diana Geliebte des englischen Faschistenführers Mosley wird, wendet auch Unity sich dem Faschismus zu. Sie reist nach Deutschland, lernt dort tatsächlich Hitler kennen, und eine enge Freundschaft entsteht.
Michaela Karl versucht aufwendig nachzuvollziehen, wie aus einem englisches Upper-Class Girl eine hartgesottene Nationalsozialistin werden konnte. Wie ein intelligenter, charmanter, fröhlicher Mensch einer solch menschenverachtenden Ideologie blind folgen konnte, alles ausblendend, was nicht ihrem Weltbild entsprach.
Es ist nicht nachzuvollziehen, zumindest für mich nicht. Frau Karl holt sehr weit aus, berichtet über Herkunft und Umfeld, über Einflüsse, politische Strömungen, aber Unity bleibt blass, nicht greifbar. Sie soll aufgedreht und dumm gewesen sein, sagen die einen, die anderen sprechen von ihrem Charme und ihrer Aufgeschlossenheit. Definitiv war sie wohl eines der ersten Fangirls, völlig ihrem Idol Hitler verfallen. Schlimmer noch, es gelingt ihr, auch einen Teil der Familie damit anzustecken. Ihre Schwester Diana wird bis zum Tode bekennende Faschistin bleiben.
Für mich war es hochinteressant zu lesen, wie viele Engländer den deutschen Nationalsozialismus bewundert und auch gefördert haben. Wie gesellschaftsfähig Faschismus und Judenhass auch dort waren. Ich wusste, dass es diese Strömungen dort gab, P.G. Wodehouse z.B. macht sich mit seiner Figur Spade über oben erwähnten Oswald Mosley lustig, aber wie offen Hitler von britischen Adelskreisen hofiert wurde, war mir nicht klar.
Auch wenn sich mir die Beweggründe Unitys nicht wirklich erschlossen haben, ist diese Biographie äußerst lesenswert und sollte unsere Wachsamkeit wecken. Denn Menschenverachtung kommt nicht immer dumpf und kahlgeschoren daher. Nein, manchmal erscheint sie auch als elegante, redegewandte Dame von Welt. Aber wie auch immer sie auftritt, man muss ihr frühzeitig entgegen treten.

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