Marente de Moor – Aus dem Licht

Dieses Lesehalbjahr gestaltet sich seltsam. Das ist nun schon das dritte Buch in Folge, neben „Babel“ und „Winterbergs letzte Reise“, das ich zwar für sprachlich brilliant halte, aber auch unfassbar anstrengend zu lesen. Vielleicht sollte ich meine Auswahlkriterien überarbeiten. Andererseits kann/soll/muss Literatur ja durchaus fordernd sein und eigene Grenzen verschieben…
Marente de Moor erzählt die Geschichte des Mannes, der den ersten Film der Welt drehte, genauer, sie erzählt eine Geschichte, wie sie hätte sein können, eine Geschichte, die in ihrem Kern wahr ist. Der Roman besteht aus mehreren Teilen, hat verschiedene Erzählstimmen, spielt mit Vor- und Rückblenden und verwischten Übergängen zwischen Realität und Traum. Da muss man als Autor schon ein klares Bild vor Augen haben, damit daraus kein explosives Gemisch wird. De Moor scheint sehr genau gewußt zu haben, was sie wie erzählen möchte. Sie schreibt elegant, dem Ton der Zeit um die Jahrhundertwende angepasst und trotzdem modern. Die Sprache ist etwas, das mich an diesem Roman wirklich sehr beeindruckt hat. Sie ist nicht so selbstverliebt wie in „Babel“, nicht so nervenzerrend wie in „Winterbergs letzte Reise“, sondern klar, wohlüberlegt und selbstbewußt.
Der Erfinder Barre ist um 1890 im Zug unterwegs durch Frankreich. Seine Reise soll ihn nach Amerika führen, wo er ein Patent anmelden möchte auf die erste Filmkamera. Von Verfolgungswahn und anderen Ängsten geplagt, ändert er aber kurzfristig seine Pläne und gilt seither als verschollen.
Sein Sohn begibt sich Jahre später auf Spurensuche und kommt zu dem Schluß, Thomas Alva Edison, der berühmteste Erfinder seiner Zeit, habe seinen Vater seiner Ideen beraubt. Er versucht einen Kontakt zu Mina aufzubauen, Edisons Frau. Die wiederum schwankt zwischen Loyalität und Abenteuerlust.
Der Zeitraum, in dem der Roman spielt, ist einer der spannendsten in der neueren Geschichte. Die Welt ist im Aufbruch, Erfinder zu sein nahezu ein Volkssport. Die Elektrizität, das Telefon, der Film sind Bereiche, an denen viele schlaue Köpfe herumbasteln und experimentieren. Und Edison wird tatsächlich nachgesagt, seine Entdeckungen nicht immer selbst gemacht zu haben. Verbessert ja, weiterentwickelt auch, aber eben nicht erfunden. Unzählige Patente werden eingereicht, überprüft und abgelehnt, wer da ein ein offenes Ohr hat und schnell reagiert, der kann durchaus von der Arbeit anderer profitieren.
Was nun den Roman für mich so schwierig gemacht hat? Im Grunde hauptsächlich der Teil über Barre, dessen Ängste und wahnhafte Gedanken zu verfolgen mich schlicht überanstrengt hat. Dann die Mischung aus Realismus und (Alp-)Traumwelt mit spukenden Exfrauen, Gedankenlesern und anderen Exoten. Es ist eben kein historischer Roman, der simpel eine Geschichte aus der Vergangenheit wiedergeben möchte. De Moor versucht, Lebensgefühl und Denken der Zeit einzufangen und nutzt den historischen Hintergrund für eigene Wege. Und daher ist das, was den Roman so großartig macht, auch zugleich das, was ihn so anspruchsvoll werden liess.

Infos zum Buch:

Aus dem Licht
Marente de Moor
Aus dem Niederländischen von Bettina Bach
erschienem am 18.02.2019 im Hanser Verlag
ISBN 978-3-446-26176-1

Dieser Beitrag erschien zuerst auf http://fraulehmannliest.com

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