Ian McEvan, Die Kakerlake

Die Kakerlake besprochen von Hauke Harder am 3. Dezember 2019.

Bewertung: 5 Sterne

In dieser Politik-Satire befindet sich alles in Umkehr. Auch der Bezug zu Kafkas „Verwandlung“ ist ein verdrehter. Eine aberwitzige Satire, die viel Kurzweil bietet und nebenbei schön bissig ist.

Ian McEwan sagt selbst: „In einer solchen Zeit fragt sich ein Schriftsteller, was er machen kann. Darauf gibt es nur eine Antwort: schreiben“.

Eine Kakerlake wacht eines Morgens auf und ist Jim Sams, ein Mensch. Nicht nur irgendeiner, sondern der mächtigste Mann Großbritanniens, der britische Premierminister. Sein erstes Wort als Mensch lautet „Okidoki“ und langsam kommt die Erinnerung. Er hat einen Plan, eine Mission zu erfüllen. Mit dem Aufstieg vom Bürgersteig hat er sich dem kollektiven Geist überantwortet. Es gilt den Reversalismus, die Umkehr des Geldflusses, umzusetzen. Anfänglich ein Gedankenspiel, dann ein Witz, nun Realismus. Der Umkehr des Geldflusses soll das gesamte Wirtschaftssystem reinigen. Ein Aufschwung ist damit zu erwarten. Man bekommt Geld beim Einkauf und zahlt dafür, dass man arbeiten darf. Das Horten von hohen Geldsummen wird bestraft. Die Reden des Premierministers vor seiner mehrbeinigen und zweibeinigen Anhängerschaft schaffen den Wandel und der Reversalismus soll zum Tage x eingeführt werden. Nur die Außenpolitik äußert Bedenken. Der amerikanische Präsident, Archie Tupper, gerät auch in den Strudel der Ereignisse. Hat er womöglich auch vorher mehr als zwei Beine besessen?

Die Reden des Premierministers beflügeln seine eigenen Gedanken, besonders wenn er an sein eigentliches, hinter der Täfelung lauerndes Publikum denkt. Wie stolz wohl seine eigene Familie auf ihn ist. Akrasia macht die Runde und alles scheint perfekt zu laufen… Die eigentliche Herrschaft ruht auf einer Spezies, die mindestens dreihundert Millionen Jahre alt ist. Meist war sie dem Spott und Hohn ausgesetzt. Bestenfalls ignoriert. Doch nun kehrt sich das Blatt. „Die Wünsche der Menschen sind oft im Widerstreit mit ihrer Intelligenz.“ Die Schabe als Symbol eines unbeliebten Tiers, aber auch eines der Umkehr. Der Schutzpanzer, das festigende Skelett, ist beim Menschen der innere Kern. Somit tragen wir im Gegensatz zur Schabe das Verletzliche nach außen.

„Die Kakerlake“ (die Übersetzung aus dem Englischen stammt von Bernhard Robben) ist ein riesengroßer Spaß. Eine absurde und bitterböse Politiksatire aus Großbritannien. Dieser Komplott gegen die Menschlichkeit und das verwandelte Ungetier sind eine lesenswerte und launige Lektüre.

 

Zuerst veröffentlicht von Hauke Harder im Leseschatz der Buchhandlung Almut Schmidt

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