„Otto“: Tragik und Humor eng beieinander

Otto | Dana von Suffrin besprochen von Birgit Kidd am 2. Dezember 2019.

Bewertung: 5 Sterne

Otto ist vor allem eins: Vater. Vater von Tina und Babi, von denen er ständig etwas will und die immer parat stehen müssen. Otto ist aber auch krank. Zu Beginn des Romans eilen die Töchter ins Krankenhaus. Von dort kehrt ihr Vater als Pflegefall nach Hause zurück. Der Tyrann steht vor seinem Ende, das aber macht er seinen Lieben nicht leicht. Starrköpfig, sturer und aufbrausend  hält der jüdische Familienpatriarch alle auf Trab – und dabei lässt an keinem ein gutes Haar. Wie sehr sie sich auch mühen…

Aber ist er wirklich böse? Macht ihn das Alter dazu? Wie geht die Familie, wie gehen vor allem die Töchter damit um?

„Otto“ ist eine Familiengeschichte, die nicht fern ist vom Alltag vieler. Familie  heißt für Otto im Alter, dass die anderen Pflichten haben: „Ihr müsst euch um mich kümmern, dafür seid ihr meine Kinder, das ist eben Familie“.  Otto wirkt  einfach unausstehlich. Das Mitgefühl ist ganz bei den Töchtern. Auf den ersten Blick jedenfalls. Doch nach und nach nimmt sich die Geschichte des jüdischen Vaters Form an. Aus dem Tyrannen wird ein Mensch, der zwar im Alter schwer zu ertragen ist, der aber eben auch ein Herz hat. Otto ist als Jude in Siebenbürgen aufgewachsen. Die Autorin schildert sein Spießbürgertum, seinen Geiz, seine Werte. Sie zeichnet seinen Weg zur Bildung nach und wie er sich als junger gebildeter Mann von seiner Familie trennt und auszieht, um sein eigenes, selbstbestimmtes Leben zu führen, im fremden Deutschland. Geschickt eingeflochten und wie nebenbei erfahren wir die Geschichte der jüdischen Familie in der NS Zeit und den Einfluss dieser Erlebnisse auf das spätere Leben.

Dieses Leben war eine Suche – mit ein paar Eckpfeilern der jüdischen Tradition als Orientierung. Einiges davon hat Otto versucht, seinen Töchtern weiterzugeben, aber seine Erziehung scheitert. Wie viele kleine Anekdoten aus der Kindheit der Mädchen belegen. ‚Und hier funkelt ein Talent der Debütautorin durch, das man anfangs gar nicht vermutet: Trotz aller Traurigkeit und Altersmelancholie steckt in diesem Roman eine herausragende Portion Komik. Die an sich tragische Situation des kranken, tyrannischen Vaters wird durch Dialoge und Geschichten aus der Kindheit der beiden Schwestern derart lustig, dass man den Roman nicht aus der Hand legt.  Die Einfälle des Vaters und die Reaktionen der Töchter sind kraftvoll geschildert, die Gegebenheiten sind originell, zum Teil geradezu grotesk. das Ganze liefert Dana von Suffrin in großartigem Timbre und wunderbaren Formulierungen.

Und doch bleibt uns der Ernst der Lage der erwachsenen Töchter natürlich nicht verborgen: Über die Pflichten gegenüber dem Vater, verpassen sie ihr eigenes Leben. Sie stecken fest in der emotionalen Zwickmühle zwischen Pflichtgefühl und Ärger, ja Wut. Ist das bequem? Fehlt ihnen die Kraft zum Widerstand – oder eben auch die Ideen für ein eigenes Leben?

Dana von Suffrin erzählt in ihrer Familiengeschichte von Verflechtungen, von Pflichten bis hin zur Selbstaufgabe, von Spannungen und ganz wichtig vom Altern – ohne allzu viel Würde.  Und durch alles schimmert etwas, das auch diese Familie, diesen Vater und seine Töchter zusammenhält: Liebe. Nur bleibt das Beziehungsgefüge eben ein Drahtseilakt…

Die Debütautorin gibt uns mit „Otto“ Anlass zum Nachdenken und zum Lachen.

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