Hauke Harder bespricht „Couscous mit Zimt“

Couscous mit Zimt | Elsa Koester besprochen von Hauke Harder am 29. Dezember 2020.

Bewertung: 5 Sterne

Die politisch aktive Journalistin Elsa Koester hat einen Debütroman geschrieben, der sich als Familienepos und ein Werk über Kolonialherrschaft liest und der Heimatfrage nachgeht. Ein Buch, das packende Lektüre verspricht. Die Autorin lässt drei Generationen erzählen, die jeweils eine starke Stimme bekommen. Liest man den Roman, der ein fiktionales Werk ist, lässt er, wenn  man einen Blick auf das Leben der Verfasserin wirft, die Vermutung zu, dass hier einiges an Biografischem eingeflossen ist. Elsa Koester wurde als Tochter einer französischen  „Pied-noir“ mit tunesischer Kolonialgeschichte und einem norddeutschen Friesen mit US-Auswanderergeschichte in Berlin geboren. Sie engagiert sich sehr in sozialen Bewegungen und arbeitet als politische Journalistin.

Die Figuren werden durch die Geschichte immer lebendiger und die Handlung baut sich cineastisch auf. Es sind drei Frauen aus drei Generationen, die sich die Heimatfrage stellen.  Was ist, d.h. was bedeutet Identität? Das Buch erklimmt die jeweiligen, nicht chronologisch erzählten Erinnerungen. Das familiäre Couscous-Essen als Bild der Gemeinsamkeit, des beieinander sitzen, erzählen und genießen. Zimt als Note der besinnlichen Beruhigung oder der Stimmungsbeeinflussung. Lisa, die jüngste, erinnert sich gerne an das berühmte Couscous-Essen ihrer Familie.

Die Handlung beginnt mit der über hundertjährigen Lucile. Sie verbringt ihre letzten Tage lesend und rauchend im Bett. Sie lebt in ihrer Wohnung in Paris und lässt täglich ein Buch fallen, damit die Nachbarn hören, dass sie noch lebt. Bevor sie stirbt, sagte sie, dass sie wohl auch ihre Tochter Marie mitnehmen würde. So kommt es auch. Kurz nach Luciles Tod stirbt auch Luciles Tochter Marie. Somit erbt Lisa, Maries Tochter, das Pariser Apartment. So beginnt die Reise in den Erinnerungen dieser drei Frauen aus unterschiedlichen Generationen. Lucile wollte nicht schwanger werden und dies ist die Grundlage der angespannten Stimmung zwischen ihr und Marie. Die exzentrische,   selbstbewusste Lucile musste mit ihrer Tochter überstürzt aus Tunesien fliehen. Marie leidet seitdem unter Heimatsverlust. Marie versucht aber in Europa ein Leben aufzubauen und entzieht sich Lucile und geht nach Berlin, wo Lisa Jahre später geboren wird. Es sind die Geschichten dieser drei starken Frauencharaktere. Mit kurzweiligen und tiefgründigen Erzählsträngen offenbart sich ein feinfühliges und stets politisches Epos. Die Beschreibungen erschaffen Bilder, die die Großstädte, die Landschaft und die Figuren sehr lebendig einfangen. Die Schicksalsschläge, Krisen und gesellschaftlichen Umbrüche als Leitfaden der einzelnen Charaktere, die sich in ihren jeweiligen Perspektiven verweben.

Das Buch ist mit einer Leichtigkeit und einer enormen Hingabe für ihre Figuren geschrieben. Der Roman zeigt die Lust der Autorin, eine, ihre oder gute Geschichten zu erzählen und damit auf Gesellschaftliches und Politisches hinzuweisen. Ein Familienroman, der mehr ist als nur die jeweils individuelle Geschichte, sondern das Fazit der Vergangenheit, die sich in der Gegenwart offenbart. Ein gelungenes und beeindruckendes Debüt.

Diese Rezension erschien zuerst im Leseschatz, dem Blog der Buchhandlung Almut Schmidt.

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