Alle meine Freunde

Der Roman zur Kreuzfahrt

von

Literarischer Einblick in ein luxemburgisches Urlaubsphänomen

Nora Wagener veröffentlicht ihre neue Reiseerzählung Alle meine Freunde, in welcher sie erzählt,
wie sich das Abenteuer der alljährlichen unter Luxemburgern sehr beliebten Pfingstkreuzfahrt
für verschiedene Figuren gestaltet.

Der Roman begleitet in verschiedenen Erzählsträngen teils luxemburgische Charaktere sowie
Mitarbeiter der Borcrew während der Reise. Dadurch, dass die unterschiedlichen Figuren in den Vordergrund
gerückt werden, lassen sich schnell Gemeinsamkeiten zwischen ihnen feststellen, die über die
gemeinsame Reise und die teils gleiche Herkunft hinausgehen. Die Metapher „im selben Boot sitzen“
bekommt in diesem Roman somit eine doppelte Dimension, denn die Reflexionen der Figuren
variieren zwischen Zukunftsträumen und verpassten Chancen, wanken zwischen Heimweh und dem
Bedürfnis, aus dem Alltag auszubrechen, schildern Alkoholrausch als auch das Rauschen des Meeres.

Nora Wageners Erzählungen verdichten sich zu einer Gesellschaftssatire, die auf erstaunliche Weise
der Realität des Abenteuers „Päischtcroisère“ zu entsprechen scheint und die zugleich nicht auf
Empathie mit ihren Figuren verzichtet. Ihr Text thematisiert zudem gesellschaftlich wichtige Themen,
beispielshalber die kulturellen, wirtschaftlichen und ökologischen Folgen des modernen Massentourismus,
wie auch individuelle Schicksale und Gedanken. So etwa die aufsteigende Resignation der
Kreuzfahrtteilnehmerin Melanie, die durch die unmittelbar neben ihr geäußerten Kommentare
über das Übergewicht einer mitreisenden Frau heraus aus Heinrich Heines Erzählwelten zurück in
die Realität der Kreuzfahrt geholt wird und daher nicht umhinkommt, festzustellen:

„Der derzeitigen Lage nach sind Cocktailbestellungen um diese Uhrzeit bereits akzeptabel.
Wer kann schon ruckzuck wie von Geisterhand den Hebel umlegen, von der Geschäftigkeit zum
erholsamen Faulenzen? Von all den Pseudodringlichkeiten, die einem der Alltag aufzwingt,
hat man einen hinterlistigen Schaden davongetragen: das schlechte Gewissen des Müßiggängers.“
(S. 86)