Am Erker

Zeitschrift für Literatur

von

Trauben von Schaulustigen, die sich um eine Unfallstelle scharen, Männer und Frauen, die sich von Brücken in den Abgrund stürzen, nur gesichert durch ein dünnes Gummiseil – was für die einen das pure Grauen darstellt, scheint für andere durchaus unterhaltsam zu sein. Unsere eigenen Ängste und Schrecken, aber auch die von Fremden geben zuweilen ganz offensichtlich Anlaß zum Vergnügen.
Die Literatur hat das schon immer gewußt und zur Kenntnis genommen. Ihre Vorstöße in die Regionen des Schauderns sind legendär und so alt wie das Erzählen selbst. Ob es um Orpheus und seinen Gang in die Unterwelt oder um Dantes durchaus voyeuristischen Streifzug durch das Inferno geht, ob um Ecos „Namen der Rose“ oder das „Schweigen der Lämmer“, die Anziehungskraft des literarischen Schreckens scheint ungebrochen und nachhaltig.
So ist auch die 68. Ausgabe der Literaturzeitschrift „Am Erker“ nichts für Hasenfüße. Sie sammelt Erzählungen und Essays, die sich dem Thema hingebungsvoll widmen: mit einem Blick auf die literarischen Traditionen des Vampir-Mythos, einer Reflexion über Filme und Bücher zur RAF oder mit ganz individuellen Obsessionen und Fantasien der Autoren, ihrer ganz alltäglichen Ängste. Mal mit Augenzwinkern, mal ernsthaft, immer aber, wie man es vom „Erker“ gewohnt ist, äußerst unterhaltsam wird hier ein Blick geworfen in eine der Dunkelkammern unserer Einbildungskraft.