An einem Sonnabend im Oktober

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Es war an einem Sonnabend im Oktober, eigentlich einem Tag wie jedem anderen, und doch herrschte in der Stadt eine Stimmung, als würde man eine Tote zu Grabe tragen. Die Straßen waren menschenleer, kaum ein Fenster erstrahlte in dem an diesem Tage sonst üblichem schwarz-rot-goldenem oder rotem Fahnenschmuck und selbst die wenigen Fahnen, die sich aus den Fenstern wagten, hätten Trauerflor tragen müssen. Es war Sonnabend, der 7. Oktober 1989, der Nationalfeiertag der DDR, der vier-zigste – und was noch niemand wußte, der letzte.
Er schritt durch die schmutziggrauen Straßen und in Gedanken erlebte er noch einmal den Tag, als Deutschland das erste Mal nach dem Krieg Weltmeister wurde und als nach den letzten Worten Herbert Zimmermanns inbrünstige aus zig Kehlen das „Deutschland, Deutschland über alles“ über den weiten Platz erschallte; er dachte an Friedrichsbrunn, wo sie in einem sozialistischen Kinderferienlager durch einen Hungerstreik eine Lagerleitung in die Knie gezwungen hatten und an seinen Militär-dienst, der in die Zeit des Mauerbaus fiel und ihn erneut mit der Staatssicherheit konfrontierte.
An seinem Auge zog das Jahr 1989 vorbei mit seinen sich verstärkenden Montagsgebeten, der letzten Wahlfarce und vor allen seinen dramatischen Ereignissen in Budapest und Prag und nicht zuletzt auf dem Leipziger Ring. Allen zusammen ist es letztendlich zu verdanken, daß die diktatorische, weltfremde und von sich eingenommene Riege alter Männer zum Teufel gejagt wurde.

Und er war dabei!