Anderswo

Photographien

von ,

Erich Lessing, wurde 1923 in Wien als Sohn eines Zahnarztes und einer Konzertpianistin geboren. 1939 emigrierte er mit dem letzten Schiff über Italien nach Palästina, lernte Radiotechnik in Haifa, ver- dingte sich als Karpfenzüchter in einem Kibbuz, fuhr Taxi und fand schließlich in die Dunkelkammer zurück, die ihn bereits als Jugend- lichen passioniert hatte. Bald arbeitete er als Photograph bei der bri- tischen Armee. 1946 kehrte er nach Österreich zurück und wurde Bildreporter bei Associated Press. Aufnahmen von Menschen, die aufgrund einer ‚ethnischen Säuberungsaktion‘ aus Bulgarien ver- trieben wurden, fielen 1951 Henri Cartier-Bresson in die Hände. Man traf sich in Paris; nach Durchsicht der Kontaktbögen wurde Lessing in die legendäre Kooperative Magnum berufen.
Erich Lessings große Reportage über den Ungarn-Aufstand machte ihn 1956 weltberühmt. Die teilweise unter lebensgefährlichen Be- dingungen entstandenen Photos dokumentieren alle Stadien des ungarischen Dramas: die Spannungen in den Monaten vor der Re- volution, den Ausbruch des Aufstandes in Budapest und dessen Scheitern nach dem russischen Einmarsch.
Die im Duoton reproduzierten Bilder des neuen Buches sind zu- meist unveröffentlicht. Im Kontext von Lessings Reportagen zeigen sie nicht die Repräsentanten der Macht, sondern anonyme Perso- nen aus dem Alltagsleben. Wenn der Photograph für diese Retro- spektive den Titel ‚Anderswo‘ wählte, spiegelt sich darin sein Wunsch, von der Welt außerhalb des Gewohnten und Bekannten zu berichten.
‚Ich habe eigentlich nie daran gedacht, etwas anderes zu tun als Geschichten zu erzählen, und es wurde eben die Kamera zu dem Medium, mit dem ich das machen will. Aber ich gehe nicht mit der Kamera spazieren. Ich nehme sie zur Hand als Mittel zu einem ganz bestimmten Zweck. Ich sehe mir die Welt durch meine Augen an und nicht durch den Sucher der Kamera. Ich interpre- tiere nicht, ich verändere nichts in der Dunkelkammer. Ich bin ein realistischer Photograph.‘ Erich Lessing