Anne Sexton, Werkedition in vier Bänden

Gedichte. Band 2

von ,

In der Frühe des Lebens zeichnet sich immer eine Spur der Vergänglichkeit ab. Von diesem Wissen um die Vergänglichkeit zehrt die Lyrik Anne Sextons. Überzeugt davon, dass gerade der Einbruch des Unglücks in die vermeintlich heile Welt notwendig sei, um eine durch den Zwang der Konventionalität, der Alltagsroutine und der Leistungsanforderung versteinerte Psyche neu zu beleben, nimmt Sexton ihren Leser auf eine Reise durch ihre Geisteskrankheit und ihre Genesung mit. Dabei mahnt ihre Lyrik zur Erinnerung an den Schmerz und zeichnet gleichsam dessen Überwindung auf. In ›All meine Lieben‹ verwebt die mal betörende, mal klagende Sprecherin ›Anne‹ die Trauer um Angehörige mit ihrer eigenen Todessehnsucht. Doch geht es in diesem Gedichten, die so schmerzhafte Themen wie Verletzlichkeit, Fehlbarkeit und Verlust umkreisen, immer auch um die Gabe, die das Unglück sein kann – einer Axt gleich, die die gefrorene Seele in uns aufbricht. Ähnlich dialektisch spricht ›Anne‹ auch in dem Band ›Lebe oder stirb‹. Geschildert wird die Verzweiflung der an Geisteskrankheit leidenden Frau, die der Routine ihrer ärztlichen und therapeutischen Behandlung gegenüber misstrauisch geworden ist, für die Sucht und Selbstmord unausweichlich erscheinen. Denoch endet auch dieser Band mit dem Umschwung in Hoffnung, dem bewussten Entschluss gegen die eigenen zerstörerischen Geister – den Stimmen ihrer Toten und ihres Wahnsinns zum Trotz –, weiterzuleben.