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Die Idee der "Kultur" im deutsch-jüdischen Diskurs

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Die Idee der „Kultur“ steht im Zentrum des deutsch-jüdischen Diskurses. Ihre Begründung und Entfaltung hat diesen immer neu befruchtet. Geschuldet ist dies einer fundamentalen Widersprüchlichkeit in der Kulturidee selbst. Auf der einen Seite ist in ihr ein universaler emanzipatorischer Anspruch gesetzt – Kulturisierung als Hinarbeiten auf die Idealkultur einer auf Freiheit gegründeten Gemeinschaft -, auf der anderen Seite ist in der Idee der „Kultur“ das Besondere als Besonderes anerkannt, das nicht zum Fall einer Regel gemacht werden kann oder darf. In eben dieser Widersprüchlichkeit konnte die Idee der „Kultur“ ihre hohe Attraktivität für das Judentum gewinnen, als Berufungsinstanz und Verwirklichungsfeld im Streben nach Gleichstellung, die nicht die Selbstaufgabe der jüdischen Identität einschließt. Entsprechend waren es vor allem jüdische Philosophen, Theologen, Historiker, Sozialwissenschaftler und Künstler, die diese Idee der „Kultur“ in ihrer Widersprüchlichkeit ausgearbeitet haben. Umgekehrt hat die Reflexion der Aporien und Krisen der jüdischen Akkulturation dem Kulturgedanken immer neu produktive Impulse gegeben. Mit den Beiträgen des vorliegenden Bandes wird an repräsentativen Vertretern – von Mendelssohn über Husserl, Cohen, Benjamin, Scholem, Kafka, Canetti u.a. – der jüdische Beitrag zur Ausarbeitung der Kulturidee rekonstruiert. AUTOR: Bernhard Greiner ist Professor für Neuere deutsche Literaturgeschichte an der Universität Tübingen, 2000-2002 Inhaber des Walter Benjamin Lehrstuhls an der Hebräischen Universität Jerusalem. Christoph Schmidt ist Dozent an den Abteilungen für deutsche Literatur und für Kulturwissenschaft der Hebräischen Universität Jerusalem.