Atem der Stille

Neue Gedichte

von

Viele literarische Bewegungen landen in der Sackgasse.
Das heißt nicht, sie seien überflüssig. DADA war solch
eine Sackgasse: Wie weiter, bitte, nach dem Kinderlallen?
Die Verunsicherung des Wie Weiter ist zwingend und
belebend. Der radikale minimalistische Realismus nach
dem Krieg, z. B. der Gruppe 47– wohlweislich als Zahl,
nicht in Worten geschrieben– war eine solche Sackgasse.
Und große Lyriker wie Ingeborg Bachmann kommen
deshalb nicht ohne viele lyrische Fragezeichen aus. Denn
vorher sind ja Rilke, Trakl und die Expressionisten!
Überhaupt ist immer etwas vorher, und wenn es keine
Sackgasse war, ist es sogar schwerer weiterzumachen.
Selbst Rimbaud “transportiert” [um das englische Wort
‘to channel’ wiederzugeben] Baudelaire. Jeder Dichter
besteht ungefähr halb aus Rezeption und halb aus
Eigenem. Konfessionslyrik von jemand, der nie Lyrik
gelesen hat, ist zu 999 Promille falsch… Geschmack und
Kitsch sind das Alte, das der Leser wieder erkennt. Aus
diesem Grund können wir zeitgenössische Lyrik und
Kunst kaum beurteilen: wir nehmen sie hin, wir nehmen
sie auf.
Und so geht es immer weiter. Mögen uns die Wörter
gnädig sein.
Ute Margarete Saine. ———— Ute Margaret Saine schreibt
Lyrik, Prosa und literaturwissenschaftliche
Texte in fünf Sprachen
und übersetzt Lyrik. Als ehe –
malige Präsidentin des PEN Clubs
in Orange County ist sie Herausgeber
der Lyrikzeitschrift Cali –
fornia Poetry Quarterly, genannt
CQ. In den USA hat sie zwei
Gedichtbände publiziert, Body –
scapes [1995] und Words of Art
[2005], sowie sechs Haiku-Bände
im Oktavformat. 2015 veröffentlichte
der Wiesenburg-Verlag die
Gedichtbände „Das Flüchtige
bleibt“ und „Das Weite suchen“.
Die Gedichte auf Italienisch, Paesaggi
che respirano [Atmende
Landschaften], werden 2016 veröffentlicht.
Dank der Internet-
Verbindungen wurde Ute Saines
Lyrik bisher in Italien, Indien,
Jordanien, und den Philippinen
veröffentlicht und sie publiziert
auch regelmäßig in Internet-
Literaturzeitschriften.
„Die Augen sehen wenig, die
Sprache sieht mehr.“