Autobiographien

von

Der Mensch ist ein bio-psycho-soziales Wesen. Und die ihn umgebenden sozialen, wirtschaftlichen, politischen, kulturellen, kurz gesellschaftlichn Verhältnisse prägen sein Leben. Verlässt ein Mensch sein Geburtsland (Mutter­land), werden die Einflüsse seines neuen Aufenthaltslandes allmählich immer prägender.
Im günstigsten Fall wird es zum Vaterland, im schrecklichsten Fall zum lebenslangen, wurzellosen Exil. Immer bleibt wohl, dass die Kultur des Mutterlandes die Nabel­schnur in die neue Heimat bleibt, zumindest in der ersten Generation der Ein- oder Auswanderer (je nachdem, von welcher Seite man es betrachtet). Und schön, wenn die alte Kultur des Mutterlandes und die des werdenden neuen Vaterlandes den Menschen gemeinsam bereichern. Dann kann das Gefühl entstehen, das Leben sei zwei-, manchmal vielleicht sogar dreigeteilt.
Mit diesem Blick schaut Ertekin Özcan auf sein eigenes Leben. Seine autobiografischen Texte und Gedichte, denen er – siehe oben – zwangsläufig den Titel „geteiltes leben“ voranstellt, reflektieren sein persönliches und politisches Leben im Gefolge seiner Migration nach Deutschland. Auf jeder Seite dieses Buches begegnet man interessanten Menschen, die sein Leben berührt, beeinflusst und/oder länger begleitet haben. In jedem seiner Verse zeigt sich Emphatie für diese Welt, drückt sich seine politische Verortung weit links von der Mitte aus, zeigen sich Intentionen, Hoffnungen, Sehnsüchte und natürlich auch Entäuschungen, die sein Engagement über Jahrzehnte begleiteten. Das Berührende:
er muss sich nicht zwingen, „Kunst“ zu machen. Die Muse hat ihn geküsst – vielleicht Euterpe, oder Erato, oder Kalliope – sie kamen und kommen zu ihm und er benutzt ihre Gabe, den Wahrheiten des Lebens nachzuspüren und sie weiterzugeben:
deine wurzel ist dort / deine äste sind hier / du selbst bist hier / dein kopf ist dort //…. damit du verstehst – / eine hälfte von dir ist hier / die andere ist dort.