Beiträge zur Archäologie in Niederbayern

Grabgruppen der Jüngeren und Späten Merowingerzeit aus dem Landkreis Deggendorf

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Mit der vorliegenden Arbeit von Christoph Lobinger, Anja Staskiewicz und Andrea Grigat ist ein weiterer Schritt getan, um den Publikationsstand zum frühen Mittelalter in Niederbayern zu verbessern. Seit der Vor-lage der „Grabfunde der Merowingerzeit aus dem Donautal um Regensburg“ von Ursula Koch aus dem Jahr 1968 wurde durch die immer konsequentere Durchführung von Notgrabungen durch die Landesarchäologie, nach 1978 dann auch durch die Kreisarchäologien Deggendorf, Straubing-Bogen und Dingolfing-Landau, das Material zum Frühmittelalter ständig gemehrt. Der Publikationsstand und damit der Wissensstand zur Entwicklung dieser fruchtbaren Landschaften hingegen hinkt nach: Abgesehen von den Gräberfeldern Strau-bing-Bajuwarenstraße (Katalog: Geisler 1998*), Moos-Burgstall (v. Freeden 1987), Peigen (v. Freeden/Leh-mann 2005) und Künzing (Hannibal-Deraniyagala 2007) harren eine Reihe großer niederbayerischer Rei-hengräberfelder noch der vollständigen wissenschaftlichen Vorlage. Genannt seien die Nekropolen von Eching-Viecht, Ergolding-Hagnerleiten, Altheim-St. Andreas oder Pocking-Schlupfing.Umso erfreulicher ist, wenn auch kleinere Komplexe wissenschaftliche Anerkennung finden, wie die 1999 kursorisch vorgestellten Bestattungen im Raum Landshut (Engelhardt/Häck 1999) und aktuell nun die Grable-gen aus dem Isarmündungsgebiet. Bei Letzteren handelt es sich um Befunde, die leicht „in der Schublade“ landen, weil es sich entweder um kleine Grabungen mit eingeschränkter Flächenausdehnung handelt, wie Ahol-ming-Ölgartenweg, Buchhofen-West, Osterhofen-Klinik oder Stephansposching-Uttenhofen, oder – ganz im Gegenteil! – um große vorgeschichtliche Flächengrabungen, bei denen auch versprengte frühmittelalterliche Bestattungen zutage kamen, wie Niederpöring-Leitensiedlung, Otzing-Gartenäcker oder Otzing-Hofäcker.Dabei sind es gerade diese kleinen Bestattungsplätze, die in der späten Merowingerzeit aus dem bekann-ten Schema der Reihengräberfelder ausbrechen und vielfältige Ansätze zur sozio-historischen Interpretation bieten. Es handelt sich einerseits um die im späten 7. Jahrhundert aufkommenden Hofgrablegen innerhalb der Siedlungen bzw. der Gehöfte, andererseits um kleine Separatfriedhöfe außerhalb der Siedlungen. In bei-den Fällen kann man in der Abwendung von der Bestattung im Rahmen der Dorfgemeinschaft im Reihengrä-berfeld eine Hinwendung zu reinen Familiengrablegen vermuten. Doch so einfach ist es nicht, denn gerade bei den zum Teil sehr gut ausgestatteten Gräbern in Separatfriedhöfen, wie zum Beispiel in Aholming-Ölgar-tenweg, scheint sich auch in der Bestattungsform eine Tendenz zur sozialen Differenzierung, ja Distanzie-rung von der Dorfgemeinschaft abzuzeichnen. Wie groß der Interpretationsspielraum solcher Grabgruppen ist, hängt jedoch mit sehr viel mehr Faktoren zusammen, die im vorliegenden Band angerissen werden. Neben der Reduzierung der Beigabensitte bis hin zur Beigabenlosigkeit und den damit verbundenen Unsi-cherheiten der Datierung beeinträchtigen auch die Fundumstände oftmals eine abschließende Beurteilung, denn die Grabungsausschnitte sind zu beliebig in Bezug auf die historischen Gegebenheiten. So liegt die Stärke des vorliegenden Buches in erster Linie in der soliden archäologischen Vorlage der Befunde und der antiquarischen Bearbeitung der Funde durch Christoph Lobinger. Ergänzt wird dieser archäologische Teil durch einen umfangreichen anthropologischen Katalog von Anja Staskiewicz und Andrea Grigat. Befund-situation, Funde und erst recht der anthropologische Befund vermitteln so ein detailliertes Bild der Bevölke-rung im Isarmündungsgebiet in der jüngeren und späten Merowingerzeit.