Berichte aus der Medizin

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Um die Mitte des 19. Jahrhunderts begann sich die medizinische Spezialdisziplin „Klinische Chemie“ zu entwickeln. Im deutschsprachigen Raum zählen Johann Joseph von Scherer (1814 – 1869), Johann Franz Simon (1807 – 1843) und Johann Florian Heller (1813 – 1871) unabhängig voneinander zu deren Begründern.

Die vorliegende Dissertation befaßt sich mit Leben und Werk Johann Joseph (von) Scherers, welchem die „Klinische Chemie“ nicht nur ihren Namen zu verdanken hat. Der Wirkungskreis des Liebig-Schülers war die Medizinische Fakultät der Universität Würzburg. Hier wurde er 1842 als erster Professor für Organische Chemie eingestellt. Zu Scherers offiziellen Aufgaben – neben seiner Lehrtätigkeit – gehörten unter anderem chemische Untersuchungen, die er für das Juliusspital durchzuführen hatte. Zusammen mit seinen Kollegen Albert Kölliker und Rudolf Virchow bildete Scherer das berühmte Würzburger „Triumvirat“, das Scharen von Studenten aus dem In- und Ausland an die Alma Julia zog. In Gemeinschaft mit weiteren Kollegen gründeten die drei Wissenschafder die Würzburger Physikalisch-Medizinische Gesellschaft, eine bis heute bestehende, wichtige wissenschaftliche Vereinigung.

Scherers Schaffenskraft war enorm: er entdeckte mehrere stoffwechselrelevante chemische Verbindungen, veröffentlichte zahlreiche Artikel, verfaßte ein Anorganisch-Chemisches Lehrbuch, das speziell die chemischen Belange damaliger Mediziner berücksichtigte, redigierte zusammen mit Virchow und Gottfried Eisenmann die „Cannstattschen Jahresberichte“, war für den Kreis Würzburg als forensischer Gutachter tätig und analysierte im Auftrag der Bayerischen Regierung einige Heilquellen (z. B. in Bad Kissingen und Bad Brückenau). Ein glückliches Händchen bewies Scherer hinsichtlich seiner Schüler, von welchen eine Reihe selber als Wissenschaftler Berühmtheit erlangten. Auszeichnungen und Ehrungen, die man ihm zuteil werden ließ, zeugen von der Wertschätzung, die man Scherer im In- und Ausland entgegenbrachte.

Die Autorin zeichnet nicht nur ein lebendiges Bild des Würzburger Chemikers in seiner Tätigkeit als Lehrer und Forscher, sondern stellt ihn darüber hinaus in seinem wissenschaftlichen Umfeld vor. Ebenso gewährt sie Einblick in das Familienleben sowie in die persönlichen Lebensumstände des Wissenschaftiers. Ausgehend von Scherer rollt sie die Entwicklung des Faches „Klinische Chemie“ auf: von ihrem Beginn, deren Einbruch im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts, über den erneuten Aufschwung um die Jahrhundertwende, bis hin zur endgültigen Etablierung.

Ein ca. 170 Seiten starker Editionsteil, in welchem Autographen Scherers (beispielsweise Briefe an Justus von Liebig und Max von Pettenkofer), Auszüge aus den Akten des Rektorats und Senats der Universität Würzburg, Dekrete der Bayerischen Regierung sowie Zeugnisse und Beurteilungen von Zeitgenossen größtenteils erstmalig publiziert werden, rundet die Arbeit ab.