Beschreibung der Alpen, vorzüglich der höchsten

von ,

‚Viele Gelehrte, vorzüglich Schweitzer, haben sich bemühet, die Höhe oder Erhabenheit der Alpen zu bestimmen, allein keiner, so viel ich kenne, hat sie im ganzen bearbeitet.‘
Ein ehrgeiziges Unterfangen ist es für den Disentiser Pater Placidus Spescha (1752-1833), die Alpen ‚im Ganzen‘ zu bearbeiten. Die Grenzen seines Horizontes zeichnen sich in seiner Beschreibung der Alpen, vorzüglich der höchsten (1823) denn auch deutlich ab. Andere Aspekte aber lassen über diese hinwegsehen.
Der Einfluss von Josias Simlers De Alpibus Commentarius (1574) ist unverkennbar. Doch die Autorität der antiken Autoren muss sich jetzt an den Entdeckungen der modernen Geographen messen. Die Beständigkeit der Gebirge hat sich in Trümmer aufgelöst. Und so veränderlich wie die geologischen Verhältnisse wird auch die menschliche Gesellschaft wahrgenommen: Die Umbrüche um 1800 fordern nach einem neuen Gleichgewicht zwischen Tradition und Modernisierung. In Placidus Spescha findet die Bündner Surselva einen tatkräftigen Verfechter von Fortschritt und Entwicklung.
Die Alpen ‚im Ganzen‘ zu bearbeiten schliesst für den Erstbesteiger von Rheinwaldhorn und Oberalpstock aber auch die ‚höchsten Alpen‘ mit ein: Unverhüllt rivalisiert Placidus Spescha mit Horace-Bénédict de Saussure, dem gefeierten Besteiger des Montblanc. Seine kühnen Panoramabeschreibungen von den höchsten Gipfeln aus lassen an einen virtuellen Alpenflug denken – und lösen bis heute Zweifel aus.
Mit ihrer Einleitung situiert Ursula Scholian Izeti den Text von Placidus Spescha in der Geschichte der ‚Entdeckung der Alpen‘, einer Geschichte, deren Kapitel bis auf wenige Ausnahmen im Flachland geschrieben wurden. Die Beschreibung der Alpen, vorzüglich der höchsten von Placidus Spescha ist eine dieser Ausnahmen.