Bibliothek Belletristik

von

‚amen, amen‘ ist kein gewöhnliches Buch.

Ein gewöhnliches Buch wird gelesen und unter gewissen Umständen verbindet der Leser etwas oder sich selbst damit. Bei ‚amen, amen‘ ist das anders: man ist bereits unabdingbar eingebunden in Form und Inhalt der Erzählungen, Gedichte und Texte für die Bühne.

Die Sammlung preisgekrönter Texte zeigt, dass wir heute, jetzt und hier, Teil großer Geschichten und Teil großer Pathologien sind.

All dies erfährt der Leser jenseits gängiger Sprachmuster. In der Textcollage ‚Alles im Kanal‘ zappt man durch Fernsehprogramme mit Protagonisten, die all das sagen, was man nie im Fernsehen hört. Gedichte wie z. B. ‚Widmung‘ glänzen durch unerwartete Zärtlichkeit und Intimität und stehen in extremem Kontrast zu verstörend brutalen Szenen wie im Theaterstück ‚psychopax‘ oder der Erzählung ’58 kg Lebendgewicht‘, die dem Schicksal dreier Selbstmörder auf den Grund geht.

In Lilly Jäckls Texten verbirgt sich die sublimierte Befindlichkeit einer marginalisierten Gegenwart inklusive ihrer ahistorischen Züge.

Ironische Sezierungen beiläufiger Alltagsempfindungen wechseln sich ab mit literarischen Perlen und einfachen Kinderreimen, die große Entwicklungsbögen nachzeichnen. Das Experiment, der Mut zu scheitern und der autoditaktische Zugang zur Sprache stehen hier in einem völlig eigenem Rahmen. Mit erstaunlicher Sicherheit in den verschiedenen Sprachformen zeigt die Autorin, dass in einem gedankenlosen Damals ein beachtliches Maß gedankenlosen Heutes steckt, das das Morgen in ein neues Licht rückt.

„Es wird kalauert, politisiert, gedichtet und geschimpft. Lilly Jäckl zeigt uns ihre Sprachtodesspiralen und bringt dabei das Weltall, das ein Kettenhund ist, zum Flüstern, nachdem die Seelen von ORF- und RTL-, von ARD- und ARTE-Kameras aufgefressen worden sind. Witzig, ironisch, sarkastisch.“
Josef Winkler