biografiA – Neue Ergebnisse der Frauenbiografieforschung

Eine Frau zwischen den Welten

Helene Scheu-Riesz (18.9.1880 Olmütz bis 8.1.1970 Wien) war eine vielseitige und erfolgreiche Visionärin. Die Schriftstellerin, Verlegerin, Herausgeberin und Journalistin war durch ihre verwandtschaftlichen Beziehungen (ihr Mann Dr. Gustav Scheu war sozialdemokratischer Gemeinderat der Ersten Republik, ihr Schwiegervater Josef Scheu war Gründer der Arbeitersängerbewegung und ihr Sohn Dr. Friedrich Scheu leitete 1954 bis 1972 das außenpolitische Ressort der „Arbeiter-Zeitung“) auch politisch relevant. Ein besonders wichtiges Anliegen war ihr jedoch stets das Veröffentlichen von preiswerten Kinder- und Jugendbüchern, eine hoch qualitative und dabei für alle erschwingliche Universalbibliothek für Kinder war ihr Ziel. Ab 1910 gab sie die „Konegens Kinderbücher“ heraus. 1923 gründete sie den Sesam Verlag, um unter anderem die besten Werke der Weltliteratur für Jugendliche preiswert veröffentlichen zu können. Von 1937 bis 1950 lebte sie, auch um antisemitischen Anfeindungen zu entgehen, in New York, leitete dort weiter den Sesam Verlag und gründete die Island Press. Sie spielte zusätzlich auch eine aktive Rolle in der österreichischen Frauenbewegung und war sozial sehr engagiert. So hatte sie nach dem Ersten Weltkrieg die damals revolutionäre Idee, Leseräume für Kinder zu schaffen, und organisierte zusammen mit den Quäkern Hilfsleistungen für die Nachkriegsjugend in Österreich. 1954 kehrte sie zurück nach Wien, setzte sich aktiv mit Schulfragen auseinander, schuf Nacherzählungen von Märchen und übersetzte Kinderbücher aus dem Englischen. Sie lebte bis zu ihrem Tod in dem von Adolf Loos für ihre Familie gebauten „Scheu-Haus“ in Hietzing, das als erstes modernes Terrassenhaus in Mitteleuropa gilt. Im Gästebuch des Scheu-Hauses finden sich unter anderem Namen wie Alban Berg, Anton von Webern, Oskar Kokoschka und Yvette Guilbert. In diesem Sammelband, der auf einer Tagung des Instituts für Wissenschaft und Kunst beruht, beschäftigen sich Expertinnen und Experten mit dem Leben und Wirken von Helene Scheu-Riesz. Ihr 1934 entstandener Roman „Gretchen discovers America“ ist ebenso Thema wie ihre Rolle als Journalistin, Verlegerin und Kinderbuchautorin. Auch persönliche Erinnerungen an diese schillernde Frau werden von ihren Enkelinnen preis gegeben. Das Schreiben von Frauen im Exil ist ebenso ein Thema wie die proletarische Jugend und die Bildungsreformen in der 1. Republik. Der Sammelband gibt somit einen interessanten Einblick in das in vielerlei Hinsicht erfüllte Leben von Helene Scheu-Riesz.