Bis hierhin war die Mosel rot

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24 Gedichte, geschrieben im Dialekt der Mittelmosel ironische, bisweilen freche oder hintersinnige Miniaturen aus einem Moseldorf. Sie kommen meist spritzig und pointiert daher, aber es wird nicht unbedingt auf die Schenkel geklopft, wenn Günter Leitzgen seine Sätze und Wortspuren leichtfüßig, schnell übers Papier huschen lässt. Man kann und soll mithören: hinten im Band steckt eine CD, von der die Gedichte ins Ohr hinüberspringen. Für den Leser ist die Tonspur eine echte Einstiegshilfe: Dialektgedichte muss man hören. Außerdem hat der Autor es ihm nicht immer leicht gemacht, seine Gedichte auf Anhieb flüssig herunterzulesen. Ein stachliger Großbuchstabe mitten in einem Wort kann schon mal unangenehm kratzen und weh tun, aber auch unerwartete Spuren legen und Assoziationen wecken; eine unübersichtliche Zusammenschreibung kann einen Tonfall nahelegen, den man schon mal im Platt gehört hat; ein doppeltes OO kann einfach schön aussehen, manchmal aber auch einen Schrei oder viel, viel Blut meinen. Oder nichts anderes bedeuten als Stille. Kurz die (meist) kleinen reimlosen Sprechstücke sind hin und wieder genauso Seh-Stücke, wie sie Hör- und Lesegedichte sind. Und was erzählt der Autor von dem Dorf, in dem er nicht mehr wohnt, aber wo er einmal Kind war, von dem Dorf, in das er zu Besuch kommt, von dem Dorf, zu dem er eine hartnäckig ambivalente Beziehung pflegt? Meist nichts von umwerfender Bedeutung (so wie auch die stillen Fotografiken, die in den Band eingelegt sind, ganz und gar nicht bedeutungsschwer daherkommen). Er gibt eigentlich nur wieder, was er gehört hat und was in der Luft liegt über den Straßen und zwischen den Hausmauern des Dorfes. Oder das, was ihm die Erinnerung eingibt an ein paar verwackelte und verwischte Momente aus einer Kindheit im Moseldorf. Hoppla – müsste es nicht einen ganzen Schwarm geben von Menschen seiner Sorte, solche, die sich davongemacht haben aus dem Dorf, der eine früher, der andere später, weggegangen und damit auch ausgeschieden aus der Sprache und dem Kommunikationspool des Dorfes Menschen, die aber auf genau jene Weise auch dageblieben sind, wie die Gedichte es andeuten und erzählen?