Briefe an Hanna

Randbemerkungen zu einem Herzinfarkt / Eine Bilanz

von

Es ist drei Uhr in der Nacht, als Hans Schmidt von einem ziehenden Schmerz im Rücken geweckt wird. Irgendwie muss er falsch gelegen haben auf der neuen harten Matratze. Er dreht sich zur Seite, auf den Bauch, aber der Schmerz, nicht sonderlich stark, bleibt unverändert, als ob eine Katze sich dort festgekrallt hat. Er wird unruhig, geht auf die Knie, merkt, dass ihm der Schweiß ausbricht, fühlt sich schlecht. Seine Frau Renate atmet ruhig neben ihm in tiefem Schlaf. Noch zögert er, sie zu wecken, doch die aufkommende Angst zwingt ihn.
„Mir geht es nicht gut!“
Sie macht Licht, holt ein Glas Wasser, während er gebückt auf der Bettkante hockt. Er beschreibt ihr den anhaltenden Schmerz, der für ihn so gar nicht zu einem Herzinfarkt passt. Aber als sie vorschlägt, den Notarzt zu rufen, stimmt er zu.
Die Diagnose im Krankenhaus ist eindeutig. Der Infarkt erfordert eine sofortige Bypassoperation.
Hans Schmidt sieht sich am Rand seines Lebens, mit angstvollem Blick in den Abgrund. In seinem Kopf läuft sein Lebensfilm ab. Seine Bilanz hält er in fiktiven Briefen an seine Enkelin Hanna fest.