Brummlg’schichten – CDs

Butzi /Das Hemd

von

Kurt Wilhelm erzählt:

Meine BRUMMLG’SCHICHTENWIE SIE ENTSTANDEN: 1946 gab es im Radio München noch keine solchen Shows wie im AFN, ‚American Forces Network‘. Da kamen, soweit ich sie verstand, die Serien um eine ständige Familie gut an. Warum es also nicht mal mit einer bayrischen Familie versuchen? Ein älteres Ehepaar mit einem Dienstmädchen (sowas gab’s damals noch. Junge Mädchen waren gern für Unterkunft, Essen und ein Taschengeld hilfreich). Dazu als Gegenspieler einen Schwarzhändler. Genug Anlaß für Zeitsatire und Gaudi.

Ich fand zufällig eine Kurzgeschichte über einen gestohlenen Hund. Eine lustige Anregung für meine Absicht, kein übliches Volksstück zu machen, sondern bayrisches Kabarett und Zeitsatire. Episoden um einen spannenden Handlungsfaden, und eine möglichst groteske Schlußpointe. Als Szenen-Überleitungen Chansons und aktuelle Schlager mit bayrischem Text, der die Handlung kommentiert und glossiert. So konnte ich traditionell bayrisch in moderner Form sein. Nur – wer könnte mir das schreiben?

Es gelang mir nicht, Autoren diese Form von bayrischer Show verständlich zu machen. Ich solle ihnen halt ein erstes Skript als Beispiel und Vorlage schreiben. Also verfaßte ich die Folge 1 vom gestohlenen ‚Butzi‘ als Muster, und bemühte mich dabei, Barbara Gallauner die Zenzi und Rudolf Vogel den Wurmdobler quasi auf den Leib zu schreiben.

Mein Star sollte der Lang Michl sein. Mit ihm besprach ich auch, daß der Held keinen üblichen Bayernnamen wie Huber oder Zitzelsberger haben solle. Als der Michl darauf-hin ‚Xaver Brumml‘ vorschlug, taufte ich spontan die bisher namenlose Reihe ‚Brummlg’schichten. Mit Apostroph.

Ich fragte ihn, der ja fürs ‚Platzl‘ erfolgreiche Einakter verfaßte, ob ihm nicht was für ihn Typisches und dankbar zu Spielendes für die 2. Folge einfiele. Er schrieb mir daraufhin einen, in unsere Gegenwart versetzten alten Märchenstoff. Den vom Hemd eines Glücklichen, das einen Schwermütigen heilt. Es wurde eine deftige Geschichte in kurzen Szenen als Stationen der durchgehenden Handlung, in der erstmals die allzu resolute Frau Brumml (Maria Stadler) auftauchte. Zenzi und Wurmdobler fehlten. Gallauner und Vogel spielten mit, aber in anderen Rollen.

Für den musikalischen Rahmen wünschte ich mir ein Swingorchester. Der Rundfunk hatte aber noch keines. Die Volksmusik-Blaskapelle Alfons Glücksmann mußte mir die modernen Arrangements von Ludwig Kletsch blasen. Egal wie. Als Gesangsgruppe, als Mills-Brothers-Verschnitt, sangen drei Rundfunkchoristen unter dem Namen

‚Isarspatzen‘ Glen Millers beliebten ‚Chattanooga Choo-choo‘ mit bayrischem Text:

„‚tschuldigen S’schon – hält hier vielleicht die Linie 19?
„Jaja – Kemma tut’s glei – „und, sagn Sie, kommt ma da ’nei‘?“
(der in weiterer Folge die Trambahnmisere 1947 also verkohlte)
„Sie fahrn mit unsrer Straßenbahn stets rasch und bequem
Und grad die Linie 19 is da sehr angenehm.
Zeit ham S‘ zum Verschnaufen – brauchen nicht zu laufen.
und eh Sie sich’s versehen san Sie draußen in Laim -“ usw.

Die Texte schrieb mir, als ich auch dafür keinen Autor fand, lustig, schnell und gut die Schauspielerin Margot Troger. Die Titelmusik, einen schwungvollen Walzer, kam vom berühmten Filmkomponisten Werner Bochmann. Der heitere Sachse brachte als mein Brumml-Musikmeister Gerd Wilden und Kletsch als Arrangeure mit, damit auch meine Generation (ich war 24) an moderner Musik, wie sie im 3. Reich verboten war, ihren Spaß haben konnte.
In den ersten drei Folgen der Serie suchten wir noch eine endgültige Form für die ‚Show‘. Ab Nummer 4 war sie dann gefunden. (Nummer 3 ist nicht mehr sendbar)

AUSWENDIG – Ich hatte beschlossen, jede Folge zweimal, an aufeinanderfolgenden Abenden aufzunehmen, und dann die präzisesten Teile mit den stärksten Lachern zusammenzuschneiden. Außerdem – wenn schon vor Publikum, dann auswendig, wie im Theater. Das ist im Hörfunk zwar unnötig, es zeigte sich aber, daß dabei ungleich intensiver gespielt und serviert wurde, als bei bloßem Ab-lesen. Die Darsteller meuterten zwar zunächst, aber sie fügten sich (das tun sie immer, siehe das heutige Regietheater).
Die erste Probe war angesetzt – da wurde der Lang krank. Er konnte ein Auge nicht richtig öffnen und beim Trinken lief’s ihm aus der lahmen Mundhälfte wieder raus. Ich besuchte ihn daheim. Er sah sehr komisch aus, aber ich fand es nicht zum Lachen. Seine linke Gesichtshälfte war tot, wie nach einem Schlaganfall. Es sei aber keiner, sagte der Arzt, nur eine Fazialislähmung infolge Erkältung oder sowas. Man hätte eine schiefe Lätschen zwar im Funk nicht gesehen, aber er mußte lange Zeit strenge Bettruhe halten. Vom 12.4. bis zum 5.5.

Da dachte der mißtrauische Michl natürlich gleich, ich besetze ihn um. Er konnte noch immer nicht glauben, daß alles um ihn herum gebaut war. Das Warten nützte ich, um die Endfassung der zweiten Folge der Brumml-Geschichten, ‚Das Hemd‘, zu schreiben, und Olf Fischer ein neues Skript ‚Das Wohnungsamt‘ in Auftrag zu geben. Olf war Darsteller, Autor und ein bisserl Abendregisseur beim ‚Bunten Würfel‘. Ein zuverlässiger braver Münchner. Ich mochte die kleinen Szenen, die er für die Bayrischen Abende schrieb oder bearbeitete. Darum übertrug ich ihm nun die Brumml-Geschichten 3.

Am 6. Mai konnten endlich die 14 Probentage beginnen, für die ersten auswendig gespielten Brumml-Vorstellungen am 16. und 17. abends um 22 Uhr. Im winzigen Senderaum 4, vor knapp 100 heringsartig hineingeschlichteten Gästen. Darunter Oberbürgermeister Karl Scharnagl, Polizei-präsident Pirzer, Theaterkollegen etc., denn in dieser ablen-kungsarmen, genügsamen Zeit kam auch Prominenz gern zu uns. Die Stimmung im engen, heißen Raum war gut, weil Enge immer gut für Lustspiele ist. Vor allem bei der 2. Aufnahme wurde so viel gelacht, daß wir die Sendezeit überschritten. Ich mußte empfindlich kürzen.

Nun mußte die Sendung zeigen, wie’s draußen ankam. Am 7. Mai, 21 Uhr warteten wir am Lautsprecher – kein Brumml erklang, nur Politik, denn ausgerechnet da fand in München die erste Gesamtdeutsche Ministerkonferenz statt. Alle Ostzonenheinis waren angereist, ließen aber die Konferenz sofort platzen und reisten heim. (Die nächste Gesamtdeutsche Ministerkonferenz fand erst 1990, 47 Jahre später statt). Die Politwelt gackerte, als handle es sich um ein Jahrhundertereignis. Die Brumml-Premiere wurde auf spät nachts verschoben, als die viele Politik die meisten Hörer vergrault hatte. Sie waren zu Bett gegangen. Die Reaktion war daher schwächer, als erhofft und erwartet.

FOLGE 2: ‚DAS HEMD‘, eine ‚flotte‘ Geschichte mit hübschen, etwas groben Pointen fand am 24. Juni ’47 eine bessere Aufnahme. Daß Gallauner und Vogel nicht ihre späteren Stammfiguren spielten, konnte bei Folge 2 natürlich noch niemand erkennen. Sie waren ja noch keine Stammfiguren. Das wurden sie erst ab Folge 4.

Danach mußten wir ohnehin pausieren, weil die Gallauner 8 Wochen in Hannover engagiert war. An-dererseits verlangten die Hörer nach einer neuen Geschichte. Olf Fischers ‚Wohnungsamt‘ lag fertig vor, ging aber nicht ohne die Zenzi und Vogel verlangte gebieterisch nach einen weiteren ‚Wurmdobler‘. In diesem Patt nahm ich als Kompromiss einen alten Schwank, den man mir anbot, und frisierte ihn auf Brumml zurecht. Das mißlang. Den Sommer ’47 über bereiteten Olf und andere Autoren mit mir weitere echte Brummlstoffe vor. Sie gelangen uns mit dem „Wohnungsamt“ und gleich darauf mit der „Weihnachtsgans“.