Bukowiner Literaturlandschaft

Texte aus der Bukowina

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[…] Hans und Lisa, diese Namen stehen für Heinz und Lilly: den am 14. Januar 1909 in Czernowitz geborenen und dort als Rechtsanwalt tätigen Dr. jur. Heinz Kehlmann und seine Frau Lilly, die am 25. Januar 1903 geborene, jüngste Tochter des in der Bukowina bekannten Strafverteidigers und Präsidenten der Anwaltskammer, Dr. Jakob Ausländer. Nachdem Lilly an der Czernowitzer Universität das Lehramt für Deutsch und Französisch erworben hatte, wechselte sie in ihren Wunschberuf über; nach mehrjähriger Ausbildung an der Kunstgewerbeschule Wien wurde sie eine erfolgreiche Graphikerin und Malerin. 1940 heiratete sie Heinz Kehlmann, nachdem ihre Ehe mit dem Schriftsteller, Literaturkritiker und sozialdemokratischen Politiker Lothar Rădăceanu 1940 geschieden und in Freundschaft abgewandelt worden war. Mit Heinz Kehlmann teilte Lilly ein schweres Emigrantenschicksal; es führte das jüdische Ehepaar nach turbulenten Kriegs- und Fluchtjahren aus dem 1944 von den Russen eroberten Rumänien 1948 in die Schweiz, 1949 nach Frankreich und 1953 in die USA.

Die älteste Schwester Lilly Kehlmanns, Ninon Ausländer, gesch. Dolbin, lebte seit 1926 mit dem Dichter Hermann Hesse in Montagnola bei Lugano zusammen und hatte ihn im November 1931 geheiratet. Sie verhalf Kehlmanns zur Ausreise aus Rumänien, um sie bei sich aufzunehmen. Sie durften als ‚Staatenlose‘ vom Februar 1948 bis zum April 1949 in Montagnola bleiben, dann mußten sie – trotz aller Bemühungen Hermann und Ninon Hesses – auf Grund einer fremdenpolizeilichen Verordnung die Schweiz verlassen. Dies alles – Ninons Verhältnis zu Lilly seit der gemeinsamen Kindheit in der Bukowina, ihre Ehe mit Hermann Hesse, das Wiederfinden der im Krieg verschollenen geglaubten Schwester, Kehlmanns Aufenthalt im Hause des Dichters und die darauffolgende lebenslange Korrespondenz zwischen den Schwestern – dies alles wird in der Doppelbiographie ‚Zwischen Welt und Zaubergarten, Ninon und Hermann Hesse‘ von Gisela Kleine (suhrkamp taschenbuch 1384), faktengetreu dargestellt und bietet somit Zugang und Ergänzung zu Heinz Kehlmanns ‚halb-autobiographischer Schilderung‘, indem darin der wahre biographische Hintergrund – ohne fiktive Verfremdungen – aufgedeckt wird.