Bunte Herzen

Novelle

von

Auf dem Landgut Kadullen gibt sich eine kleine aristokratische Hausgesellschaft dem sommerlichen Müßiggang hin. Billy, die siebzehnjährige Tochter des Grafen Hamilkar von Wandl-Dux, verliebt sich dabei in ihren leidenschaftlich-sentimentalen polnischen Vetter Boris Dangellô. Einen Heiratsantrag des Vetters lehnt der Graf zwar kategorisch ab, doch seine Tochter erliegt der Versuchung und läßt sich zu einer nächtlichen Flucht überreden. Der romantische Zauber verfliegt freilich binnen Stunden, die ungewohnte und rauhe Wirklichkeit nimmt bedrohliche Züge an, und die entflohene Komtesse, welche die Tragweite ihrer Tat gar nicht zu erfassen vermag, steht urplötzlich vor folgenschweren Entscheidungen.
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Er zog die greisen Augenbrauen unzufrieden empor und blinzelte zum Waldrande hinüber, der dort fern in violettem Dufte lag. War sie nicht vielleicht ein Mißverständnis, sein Mißverständnis, diese hübsche Kultur, die er sorgsam um sich und die Seinen eingehegt hatte? Konnte man hier leben lernen? Als er an Lisa vorüberging, hörte er sie in ihrer elegischen Weise sagen: „Ich glaube nicht, daß Billy einen großen Schmerz verstehen kann, daß sie ihn genießen kann, denn man muß auch seinen Schmerz genießen können.“
Aus: Bunte Herzen