Combray 2005-2016

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Combray ist ein fiktiver Ort. Zwar heißt eine französische Kleinstadt Illiers-Combray, aber auch dieser Name ist eine literarische Konstruktion: Marcel Prousts Vater stammte aus Illiers nahe Chartres, die Familie verbrachte viel Zeit dort. Aus Anlass von Prousts 100. Geburtstag legte sich die Gemeinde 1971 den Zweitnamen zu. Combray existiert nur in Marcel Prousts Auf der Suche nach der verlorenen Zeit – das Ich seines Jahrhundertromans wächst hier auf, Kindheitserinnerungen verbinden sich mit diesem Namen. Für Elger Esser (geb. 1967), einen der seinerzeit jüngsten und letzten Becher-Schüler, ist Combray überall dort, wo Frankreich noch so aussehen mag wie zu Prousts Zeiten. Die photographische Ausbeute seiner Reisen durch die französische Provinz ist reich: In allen Regionen des Landes, das er in den letzten zehn Jahren von Norden nach Süden und von Osten nach Westen durchstreifte, fand er, was er nicht auf den Spuren, aber im Geiste Prousts suchte: verwunschene, oft auch verlassene Dörfer, Gehöfte an Flussläufen, Monets Garten in Giverny, alte Klöster und Kirchenruinen, eingebettet in scheinbar unberührte Natur, Orte und Landschaften, die wie aus der Zeit gefallen wirken. „Esser spürt im Heute das Gestern und Vorgestern auf, zeigt dessen randständiges Andauern, das uns schroff oder malerisch überrascht und Gegenwart relativiert…“, schreibt Kirsten Voigt in ihrem begleitenden Text. Esser nahm seine Combray-Serie analog in Schwarzweiß auf und fertigte von den Negativen Heliogravüren, ein veraltetes Verfahren, das die Schönheit und die latente Melancholie seiner real existierenden Vision noch deutlicher hervortreten lässt.