Da streifte mich ein Mädchen

Walter Leistikow: Ein Maler in Berlin

von

Wie kein anderer Maler hat Walter Leistikow die Stimmungslyrik und ästhetische
Verzauberung der Berliner Grunewaldseen eingefangen. Am Kleinen
Wannsee schuf er Gartenbilder mit Pflanzen und Blumenbosketten voller
impressionistischer Farbigkeit. Der verwunschene Garten als mystischer
Ort, Brücken als Sinnbilder für das Verbindende, hinter Bäumen versteckte
Häuser als Metapher für das Heimatliche – Szenerien, die Träumen freie
Bahn lassen. Auch das Hochgebirge, das anbrandende Meer und langhalsige
Vögel wie Schwäne und Kraniche fesselten ihn. Leistikow war ein Landschaftsmaler
mit einem besonderen Gespür für die Natur.
Vom Naturell her positiv gesinnt mit einer heiteren Betrachtung der Dinge,
besaß er die Gabe, Freunde zu gewinnen, zu denen Max Liebermann, Lovis
Corinth und Gerhart Hauptmann zählten. Gemeinsam mit ihnen setzte
er sich dafür ein, Berlin um 1900 zu einer Hauptstadt moderner Kunst zu
machen. Ausgestattet mit hoher Intelligenz und geistiger Beweglichkeit,
agil und kontaktfreudig, dabei ungeheuer fleißig, war er Mitbegründer der
„Gruppe der XI“, der Berliner Secession und des Deutschen Künstlerbundes.
Die vergleichsweise nur kurze Zeit seines Wirkens war getragen von großer
künstlerischer und persönlicher Kraft, worin ihn seine dänische Frau
Anna liebevoll unterstützte. Sein halbes tragisches Leben vollzog sich in
permanenter Auseinandersetzung mit der damals noch unheilbaren Syphilis,
die er sich in einer verzweifelten Situation bei einem armen Mädchen geholt
hatte. Um sich und seiner Familie die Spätfolgen zu ersparen, suchte er nach
zahlreichen fruchtlosen Kuren als Ausweg den Freitod. Sein Vermächtnis ist
ein Werk von fünfhundert Bildern.