Damals in Braunland

Autobiographische Episoden

von

Hans-Dieter Schmidt war bis zur Berentung 1992 Professor für Entwicklungs- und Persönlichkeitspsychologie an der Humboldt-Universität zu Berlin. Einem breiten Publikum in der DDR wurde er bekannt durch seine Bücher ‚Entwicklungswunder Mensch‘ und ‚Schritt um Schritt‘. Daß ein Entwicklungspsychologe, der sich soviel mit Kindern beschäftigt hat, sich irgendwann der eigenen Kindheit zuwendet, scheint nahezuliegen, aber um Psychologie bzw. Entwicklung im psychologischen Sinne geht es in ‚Damals in Braunland‘ nicht. Hier wird in klug komponierten Episoden anschaulich aber konzentriert erzählt, was der junge Hans-Dieter Schmidt bis hin zum Ende des ‚Dritten Reiches‘ erlebt hat. Es handelt sich um den Alltag eines ‚deutschen Jungen‘ in der Provinz in dieser Zeit. Die Qualität dieser Erinnerungen liegt nicht in spektakulären Ereignissen; der Jugendliche hat nicht Hitler die Hand geschüttelt, er hat keinen sowjetischen Panzer abgeschossen oder Widerstand geleistet. Die Qualität liegt in der Genauigkeit, mit der erzählt wird, in der Objektivität, mit der das Geschehen und Erleben erfaßt sind. Der Autor war sechs Jahre alt, als die Nazis an die Macht kamen, und achtzehn, als das ‚Dritte Reich‘ unterging. Ein gewöhnlicher deutscher Junge in einem Nest in der Provinz. Erlebt hat er nur das, was damals in Deutschland – und für die im Sinne der Nazis ‚Deutschen‘! – Alltag war. Nun ist der Alltag, zu allen Zeiten, an allen Orten, überwiegend banal. Was macht, daß auch eine Nacherzählung in der Gefahr steht, überwiegend banal zu werden. Es sei denn, der Erzähler versteht es, und das ist in diesem Buch geglückt, sozusagen die Hintergrundstruktur des Banalen in seiner Nacherzählung aufzudecken. Denn ‚äußere‘ Mächte beeinflussen diesen quasi naturwüchsigen Rhythmus alltäglichen Lebens, formen ihn, setzen Anreize, prägen das Umfeld, die Schule und die Lehrer, die Freizeit usw. Das Banale kann das Böse werden! Hans-Dieter Schmidt läßt derlei Reflexionen in die Darstellung nicht einfließen, seine Schlußfolgerungen finden sich am Schluß des Buches auf weniger als einer Seite dargelegt, mehr für sich bzw. die Enkel als für den Leser. Der wird durch die Erzählung selbst zum Nachdenken angeregt, über damals – und über heute.