Das innere Bild

Zu einem verlorenen Begriff der Seele

von

In den 1970er Jahren bildete sich die feministische psychoanalytische Filmkritik, wurde zu einer Innovation in der Filmwissenschaft und fand Eingang in die Universität. Es war ein Ereignis: Mit dem Griff nach Psychoanalyse und Film profi lierte sich die Bewegung als Subjekt in Wissenschaft und Theorie. (Um bald darauf allerdings der institutionellen Einverleibung in Genderstudies und Frauenforschung zu weichen.) Hinter dieses Ereignis geht das Buch zurück zu einer
Vorgeschichte. Das Selbstbewußtsein der Alten Frauenbewegung, ihres Vermögens und ihrer Ziele, artikulierte sich im Begriff der Seele, ohne daß es der Bewegung in den 1910er und 20er Jahren jedoch auf diese Weise gelungen wäre, in die intellektuelle Öffentlichkeit einzutreten. Das könnte nun daran gelegen haben, daß sie den Begriff der Seele nicht im Film refl ektierte. Zur gleichen Zeit ging die Masse der Frauen ohne emanzipatorischen Begriff ins Kino. Die Kinogängerinnen legten ein psychisches Vermögen und eine Zielstrebigkeit an den Tag, das neue Bewußtsein zur Geltung zu bringen.
Wie hätte eine solche Refl exion aussehen können? Eine ‚Seelentheorie des Films‘, in der sich die Frauenbewegung als Teilnehmerin an der Entwicklung der modernen Massenkultur profiliert hätte? Autorinnen wie Helene Stöcker, eine radikale Sexualreformerin, und Margarete Susman, philosophische
Publizistin, kannten Freuds Schriften, doch lagen ihnen philosophische Horizonte näher: Nietzsche und die Mystik.
Heute, aus der Sicht des Kinos und nach der feministisch-psychoanalytischen Auseinandersetzung mit dem Film, rückt die Schrift eines Pessimisten des frühen 19. Jahrhunderts, Arthur Schopenhauers Die Welt als Wille und Vorstellung, als philosophische Vorgabe für eine ‚Seelentheorie des Films‘ in den Blick.