Das Jubiläum

Eine herzhaft-kulinarische Geschichte

von

Die Vorbereitungen für das Jubiläumsfest nahmen bereits zwei Tage in Anspruch, ohne daß mit dem Kochen überhaupt angefangen wurde. Schon die Einkäufe erwiesen sich als recht kompliziert. In den Geschäften der Bezirkshauptstadt, die ein Überangebot an Waren suggerieren, fehlten zahlreiche, an sich gängige Ingredienzen wie zum Beispiel Kräuter und Gewürze, geschweige denn Spezialitäten wie etwa Lammherz. Bäczi machte bei dieser Gelegenheit die Erfahrung, daß bei einem guten Dorfkaufmann, falls man sich ein oder zwei Tage gedulden kann, alles zu bekommen sei. So war es auch in Stehendorf.

»Zu bekommen ist alles was zu bekommen ist«, scherzte der tüchtige Mann, der sein Geschäft kaum verließ, selbstbewußt. Er lieferte spätestens in zwei Tagen nicht nur alles Bestellte, sondern darüber hinaus auch einige Alternativen dazu. Bäczi, der sich bereits ein wenig überfordert fühlte, ersparte sich dadurch viel Streß. Trotzdem erlaubte er seiner Frau Maria nicht, bei den Besorgungen sowie bei der Zubereitung der Speisen mitzuhelfen. Sie war darüber nicht sonderlich unglücklich, es gab ja genug andere Arbeit. Maria wich aber trotzdem nicht von seiner Seite, um einen eventuellen Schwächeanfall rechtzeitig erkennen und dementsprechend reagieren zu können. Sie mißtraute seiner Hyperaktivität, schließlich hatte sie in den zehn Jahren nach der Operation mit seinen Verhaltensweisen genug Erfahrung sammeln können.

Bäczi wußte, daß ihn die Jubiläumstage immer wieder viel Substanz kosteten, wollte aber auf die jährliche Demonstration des Erfolges nicht verzichten, vor allem, weil diese von Jahr zu Jahr bedeutungsvoller geworden war. Es war ihm klar, daß es nicht nur seine Leistung war, die es ermöglichte in dem großen Hof jährlich viele Menschen zu versammeln, um anschaulich zu machen, daß er noch existierte und dazu auch noch ohne einen nennenswerten Verlust von Lebensqualität. Auch die Ärzte leisteten Hervorragendes. In seinen Augen war es aber ein hohes Maß an Routine, die allen Patienten zuteil wurde, auch wenn manche den Eingriff nicht überstanden. Viel mehr war er davon überzeugt, daß die schicksalhafte Übereinstimmung der physiologischen Merkmale mit dem Wesen, das in ihm weiter lebte, ausschlaggebend war.

Oft wurde er nach dem Verhältnis zu der nur mehr in ihm Existierenden gefragt. »Ich habe keine besondere Beziehung zu ihr«, pflegte er stets zu sagen, um die Neugier der Intimsphärenbrecher zu stillen, wobei die Aussage auf das Wort »besondere« bezogen war. Er hatte nämlich eine Beziehung, und zwar eine besonders innige. Er fühlt sich gewissermaßen als Träger ihres Lebens. Über die damit verbundenen Probleme sprach er nur selten, nie aber mit Maria. Es war ihm klar, daß er nach der Operation in eine schizophrene Situation geraten war. Immer wieder filtrierte er seine Gedanken und folglich auch Beschlüsse durch zwei, oft kontraversielle persönliche Einstellungen. Er hatte keine Beziehung zu der Person, er war die Person und das verunsicherte ihn oft nicht wenig. Vor allem am Beginn seines Doppellebens litt er schwer unter existentiellen Fragen. Um diesen zu entfliehen betrachtete er sich selbst als einen Kompromiß zwischen dem Leben und dem Tod …