Das Portrait

Gedichte

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Es ist kein Selbstbildnis, was Lydia Rohmann uns in diesem Gedichtband vor die Augen malt. Es ist – wie so oft schon – ein Bildnis der Welt, wie es entsteht, wenn Liebe den Stift führt, Liebe zur Natur, zum Atom, zum All, zu Mensch, Tier und Pflanze. Lydia Rohmanns Gedichte sind im besten Sinne “Mikroskopie” – sind Ansichten eines Kosmos des Unscheinbaren. Im Unterschied zu den gnadenlosen Mikroskopierern zerstört sie nichts, was sie unter das Okular ihrer behutsamen Gedanken legt. Alles bleibt ganz und wird doch durchsichtig.

Portrait stammt vom altfranzösischen “po(u)rtraire”, das sich dem lateinischen “protrahere” verdankt, was wiederum so viel bedeutet wie “hervorziehen”, “ans Licht bringen”. Ein Portrait bringt also das ans Licht, was da ist, aber nicht ohne Hilfe sichtbar wird. Lydia Rohmann ist eine solche Malerin, die das Sehen lehrt. Ihre Worte sind niemals nur Gedanken, sie sind Ikonen, in denen Himmel, Welt, Gott und Mensch aufblitzen und hell werden. Nichts ist für sie ohne Bedeutung, selbst das, was schamhaft den Sinn nicht preisgeben will. Alles hat Tiefe, selbst die Zeit. Wie gut zu wissen: “Es liegt so viel Morgen im heutigen Tag.”

Dietmar Lütz (aus dem Vorwort)