Der Bärenhüter (Bähü)

Erzählung

von

‚Diese Erde, diese Mutter, die uns trägt, muss Gestalt annehmen in uns, ehe sie sich auftut. Ein Apostel sagte mir, Judas habe ein sehr geheimes Parfum mit sich getragen: schwarze Wolfsmilch vermischt mit Absinth, zerstoßener Wespe und Stutenmilch. Gegen seine Einsamkeit. Solch barbarischen Duft, braucht’s den? Zum Vagabundieren auf Französisch?
Ich meditiere.
Die Hähne krähen.
Petrus bekreuzigt sich.‘

‚Judas’ Verschwörung war eine innerliche. Und seine Taten zündeten alle Prophezeiungen auf dieser Welt, die er anstelle des Herrn verkünden wollte. Ich bin hier und werde alt darüber, doch vorausgesagt werden alle Weltuntergänge bis hin auf die Boulevards der Hauptstädte, ins anonyme Getrampel hinein, ins Kratzen auf dem Kopfsteinpflaster, Gemurmel der Massen, ehe sie untergehen. Ein kleines Buch, das offen in der Hand eines Engels liegt, muss ich mir einverleiben, ehe ich gehe. Muss dessen Honig kosten, seine Bitternis abweisen. Judas ist unsere Bitternis.‘

‚Poem, Essay und Roman in einem, bestätigt das Buch im Übrigen nochmals viruos, was Corinna Bille schon 1942, bei der ersten Begegnung mit Chappaz, konstatierte: ‚Ich habe nie jemanden sich mit solcher Präzision ausdrücken gehört.“ Charles Linsmayer, Der Bund (Bern)

‚Entstanden ist ein rätselhafter und bildstarker Text, der den Stationen der Passionsgeschichte folgt. Das erzählende Ich ist Judas, und doch bleibt er zugleich ein Aussenstehender, der die biblische Szenerie reflektiert. (.) Der Judas in dieser ambivalenten Konstruktion ist keine lebensferne Figur, vielmehr steckt er auch in uns drin.‘ Beat Mazenauer, Der Zürcher Oberländer