Der Handel um die Seele

von

1886 veröffentlicht der Czernowitzer Schriftsteller Ernst Rudolf Neubauer (1822–1890) ein Schauspiel in drei Acten mit dem Titel Der Handel um die Seele. Das Stück thematisiert freilich nicht in der Tradition des Faust-Stoffes das Ringen himmlischer Mächte um das jenseitige Schicksal eines Menschen. Vielmehr geht es darin höchst profan um einen skrupellosen Großhändler, der aus Geldgier seine Seele an einen anderen Handelsmann verkauft und dadurch unvorhergesehen in die unterschiedlichsten dramatischen Verwicklungen gerät.
Das Schauspiel reflektiert damit auf der einen Seite Krisenphänomene eines entfesselten Kapitalismus und zugleich der wirtschaftlicher Depression nach dem Gründerkrach von 1873 wie auch die damals grassierende materialistisch-sozialdarwinistische Rechtfertigung riskanter Spekulationsgeschäfte. Andererseits literarisiert der Text die Czernowitzer Juden als größte Bevölkerungsgruppe in der Hauptstadt der Bukowina, des östlichsten Kronlandes der Habsburgermonarchie. Er führt insbesondere sehr anschaulich die immensen religiösen, ideologischen und materiellen Unterschiede zwischen den diversen jüdischen Gruppierungen und Milieus von assimilierten Handelsleuten über Vertreter der hochgebildeten Aufklärung (Haskala) bis hin zu ekstatisch-frommen Chassidim vor.
Der Text dieses außergewöhnlichen literatur- und kulturgeschichtlichen Dokuments wird in der vorliegenden Ausgabe erstmals sorgfältig ediert und mit ausführlichen Sprach- und Sacherläuterungen kommentiert sowie in einem Nachwort historisch detailliert eingeordnet.