Der Schwan, die Ratte in mir

Prosa

von

„Der Schwan in mir, die Ratte, was tun sie? Verhalten sie sich menschlich? Stiften sie mir ihren Teil tierischen Friedens? Hätte ich gerne einen überlangen, schlauchigen Hals, reizende rosa Pfötchen? Zum Umdrehen, zum Abhacken, meine ich. Denn beide wehren sich nicht. Ich bin der Stärkere. Und mein tierischer Hass gilt ihrer Demut. Meine menschliche Demut gilt ihrer Freiheit. Wenn sie fliehen, fliehen sie nicht vor mir. Das liebe ich. Und mich hasse ich, weil meine Liebe mich verlässt.“ (Aus: „So unstet“) Unterhalb des hohen Himmels breitet sich das Land aus, in dem sich Mensch und Tier in Dieter Zwickys Prosa tummeln. Dieses Land heisst mal so und mal Argentinien und mal anders und mal Goms. Strenges Beobachten, ein klares Regelwerk. Sie machen Spass, sie verblüffen, sie stecken an und sie jucken unter der Kopfhaut: die langen und die kurzen Erzählungen dieses Bandes. Die Literatur ist eine Apotheke. Die Pillen oder Pasten oder Wässerchen, die hier gemixt werden, zeigen schon nach wenigen Sätzen Wirkung. Unter dem staunenden Auge der Leserin entsteht Realität. Der Leser erwacht aus einem Traum und brütet über der Frage, warum es auf der Welt so seltsam riecht. Und abends, wenn ein weiterer vergiss-mein-nicht-blauer Tag in die Erinnerung drängt, verwandeln sich Kühe in Affen, lösen sich Blüten von den Rosen und betupfen sich Frauen mit Feuchtigkeitstüchern. Dieter Zwicky, von Werner Morlang, Bruno Steiger und anderen als aufregendster Schriftsteller seit langem bezeichnet, hat in seinem ersten Prosaband Geschichten geschrieben, die in einer Erzähltradition von Autoren wie Ludwig Hohl oder Maurice Sandoz stehen. AUTOR: Dieter Zwicky wurde 1957 in Zürich geboren. Für den Roman „Totensonntag: Verweser “ (nicht veröffentlicht) erhält er 1990 das Werkjahr des Kantons Zürich. Veröffentlichung von verschiedenen literarischen Arbeiten (Essays, Kurzgeschichten, Erzählungen), so genannte „Mischwesen“, d.h. Imitationen konfuser, nicht gattungstreuer Lebendigkeit in Semikolon, drehpunkt und Entwürfe für Literatur. Die Literaturzeitschrift Manuskripte (Nr. 151) druckt 2001 Auszüge aus „Der Schwan, die Ratte in mir“, die weit herum für Aufsehen sorgen.