Deutsche Zukunftsvisionen vor 100 Jahren

Anlässlich seines 150. Geburtstags am 4. Mai 2021 mit einem Mynonafiction´schen Geleitwort herausgegeben von Detlef Münch

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Das anlässlich des 150. Geburtstag am 4. Mai 2021 von Dr. phil. Salomo Friedländer (1871 – 1946), des bis heute bedeutendsten jüdischen Science Fiction Autoren, herausgegebene Jubiläumsbuch enthält seine sämtlichen frühen von 1909 – 1919 unter dem Anagramm Mynona publizierten expressionistisch orientierten 29 Science Fiction & Fantasy Grotesken. Themen sind u.a. die Fernübertragung von Berührungen (recht aktuell angesichts der Corona-Kontaktbeschränkungen), die Manipulation von Raum und Zeit, das Ende der Erde durch eine menschgemachte Klimakatastrophe, die „Aerosophie“, eine Philosophie der Marsbewohner, die Liebe extra- und transterrestrischer Wesen sowie vegetabilischer Menschen mit einer „Totalen Vereinigung“, die Reproduktion von Goethes Stimme, eine lautbarmachende, jedem Menschen eigene „Charaktermusik“, die Sichtbarmachung von Gefühlen, die Materialisation von Gedanken, die Plastinierung von Menschen, sowie zahlreiche weitere originelle Zukunftserfindungen und Technikvisionen des Prof. Abnossah Pschorr und Myno Deusp.
Der Kantianer Friedlaender ist ein völlig originärer SF-Autor, der, als einiger der wenigen an die technisch-philosophisch und an Fechners Psychophysik orientierte SF-Tradition von Kurd Laßwitz (1848 – 1910), dem „Vater der deutschen Science Fiction“, anknüpfte.
Friedlaender wurde durch Paul Scheerbart zur SF inspiriert, schätzte das Werk von Kurd Laßwitz, Carl Grunert, Jules Verne und H. G. Wells, und hat einzelne Sujets daraus in seinen SF-Grotesken verwandt, auch um „die Komödie des heutigen Menschen in seiner Lächerlichkeit und selbst verschuldeten Ohnmacht,“ darzustellen, doch war er niemands Epigone. Vielmehr hat Friedlaender eine höchst eigenartige und eigenständige Science Fiction kreiert, die weniger unterhalten, sondern als technisch-philosophische „Speculative Fiction“ die unbegrenzten Möglichkeiten dieses vergleichsweise jungen Genres als literarisches Spiel und Experiment in die Hochliteratur einführte und dessen besondere Eignung zur Gesellschafts- und Militarismuskritik er ebenfalls erkannt und genutzt hat.
Trotz seiner 3 frühen bedeutenden SF-Romane um 1920 war Friedlaender eher ein Vertreter der genuinen deutschen SF, die von Anfang an und noch bis 1919 in der Kurzgeschichte die „Königin der Science Fiction“ sah und die er bis zu seiner Emigration 1933 als einer der wenigen in der Kurzprosa als SF-Groteske originär in mehr als 50 Texten weiterentwickelt hat, sodass er heute als einer der bedeutendsten und produktivsten deutschen SF-Autoren seiner Zeit gelten kann.

Inhalt:
Zum Mynonafiction´schen Geleit
1909 Das Weihnachtsfest des alten Schauspielers
1910 Von der Wolke, welche so gern geregnet hätte
1911 Charaktermusik. Eine haarige Geschichte
1911 Von der Wollust über Brücken zu gehen
1911 Der kommende Mann. Eine Vision
1911 Die betrunkenen Blumen oder der geflügelte Ottokar
1911 Aerosophie
1912 Fasching der Logik. Vortrag eines Marsbewohners
1912 Präsentismus. Rede des Erdkaisers an die Menschen
1913 Die Torturen des Gottes Mumba
1913 Der Telehaptor – Idee vom Ferntaster
1913 Unter Kanonenkönigen
1915 Das Wunder-Ei
1916 Der Stereograph
1916 Goethe spricht in den Phonographen
1916 Das vertikale Gewerbe
1917 Der sichtbare Mensch. Eine Antiwellsiade
1917 Willi Wille!
1918 Harun al Ra – – – – –?
1918 Die Kunst, sich selber einzubalsamieren
1918 Die Entführung
1918 Neues Kinderspielzeug
1918 Die langweilige Brautnacht
1918 Beschreibung meiner Braut
1918 U?
1919 Der gut bronzierte Floh
1919 Die vegetabilische Vaterschaft
1919 Das widerspenstige Brautbett
1919 Die kinetische Automodellierung