Die andere Literatur

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In einer Haftanstalt im bayerischen Niederschönenfeld schrieb Erich Mühsam 1924 ein treffsicheres Gedicht, das die Klassengesellschaft der Weimarer Republik als „Dampfer Deutschland in Seenot“ zum Thema macht. Sichtbar wird der Geist ihrer Eliten, der auch ihren späteren Untergang heraufbeschwor.

In einem Tagebucheintrag vom 19. Januar 1924 notierte er, wer die Zeche zhalte:

„Überall in Deutschland das gleiche Bild: die Kapitalisten dekre­tieren unerhörte Arbeitszeitverlängerungen bei gleichzeitiger ungeheuerlicher Beschneidung der Löhne. Das Heer der Er­werbslosen wächst ins Riesenhafte, und wer nicht in Mammut­betrieben zehn, elf, zwölf Stunden arbeiten muß, ist in den kleineren Betrieben zur Kurzarbeit bei völlig unauskömmlicher Entlohnung verurteilt.“

Wir haben das Gedicht „Seenot“ das er damals schrieb, samt seiner abenteuerlichen Publikationsgeschichte wieder ausgegraben. Der Erstdruck erschien im Jahre 1924 erstmals in der österreichischen Zeitschrift „Arbeiter-Literatur“, und wenig später gab es der österreichische Arbeiterschriftsteller Richard Zach in seinem „Verlag der Schriften“ heraus. Nach 1959 wurde dieses wohl wichtigste und leider nicht so bekannte Gedicht Mühsams – sicherlich eine historische Mahnung – nie mehr in einer Einzelausgabe veröffentlicht.