Die Angst vor Beethoven und andere Prosa

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Ein Mann, der mit seiner Vergangenheit hadert, lebt in einer vom Verfall bedrohten Gegend im Ostteil Berlins. Seine Arbeit hat er aufgegeben unter dem Vorwand, schreiben zu wollen. Längst aber interessiert er sich mehr für Blumen und Musik. Bei einem greisen Blumenhändler kauft er mit Fleischwasser zu ernährende Orchidee, „Subterrania“ genannt, die Unterirdische. Durch den Alten wird er in eine düstere Geschichte scheinbar vergangener Wirklichkeiten gezogen – über eine Judendeportation im Jahr 1942 und über Beethoven, dessen Werke angeblich von Fälschern erfunden seien. Auf die Fälschbarkeit der Realität antwortet das erzählende Ich, in dem es nach Künstlichkeit strebt – die Fiktion einer Identität zerfällt. Wie die unheimliche Titelgeschichte in Wolfgang Hilbigs Prosaband ›Die Angst vor Beethoven‹ sind auch die anderen vier Erzählungen sprachmächtige Versuche, in einer als lebensfeindlich erfahrenen Wirklichkeit Position zu beziehen: Ein Nachtwächter fragt sich, ob Lyrik, die sich nur auf Reales bezieht, die menschliche Existenz angemessen darstellen kann (›Über den Tonfall‹). Ein Arbeiter, der neben seiner schlafenden Frau im Bett liegt, sieht sich doppelt: Ist er tatsächlich der Arbeiter oder einer, dessen Heimat Arkadien ist (›Der Nexus‹)? Ein Mann, der sich nach Veränderungen sehnt, bricht in die schäbige Wohnung seiner Mutter ein (›Der Gegner‹), und ein anderer übernachtet vor einer riesigen Bücherwand deren beißender Geruch in ihm Todesbilder weckt (›Der Geruch der Bücher‹). Fünf phantastisch-beklemmende Nachtstücke, vorangetrieben vom Rhythmus einer suggestiven und präzisen Sprache.