Die Beichte eines bewegten Lebens

von

Der Mann hat Humor: Mit bald 70 Jahren will er sich – trotz ärztlicher
unguter Diagnose – noch einmal die Zähne machen lassen, „damit ich
besser ins Gras beißen kann“. Arnold Kamenz ist nicht klein zu kriegen.
Setzte sich mit über 60 Jahren hin und schrieb auf, wie er seine Jahre
gemeistert hat. Er beichtet: Es war in der Regel ein Leben ganz unten.
Er berichtet, wie es ist, wenn man von den Eltern als Kind nicht geliebt
wird. Wenn man stottert. Wenn man Bettnässer ist. Wenn man keine
Antworten auf so viele Fragen erhält. Wenn man von Nonnen im
Kindesalter geprügelt und von Erzieherinnen missbraucht wird. Wenn
man dem Suff verfällt. Wenn man arbeitslos wird und keine Zukunft
hat und nicht ausreichend Kraft hat, um aus persönlichen Konflikten
herauszufinden. Es geht ums Überleben in Westberlin und als Kind in
Hannover, im Erziehungsheim, bei Entziehungskuren. Durch die Suche
nach Auswegen, nach Lösungen zur Rettung der eigenen Seele. Da
halfen auch keine von den Eltern vorgebeteten Sprüche aus dem Reich
der Gläubigen. „Mucki“, wie er mit Spitznamen genannt wird, versucht
dennoch in einer Gesellschaft Fuß zu fassen, in der nur der etwas
gilt, der es zu etwas bringt, der Materielles für sich anhäufen kann,
der sich an die Unwägbarkeiten seiner Umgebung gewöhnt und keine
zu hohen geistigen Ansprüche stellt. Mucki hat es trotzdem geschafft,
nicht unterzugehen. Heute – im Alter – sieht er sich zufrieden auf dem
Balkon seiner kleinen Einzimmerwohnung in Hellersdorf sitzen. Er
malt, er sinnt nach und er vergisst seine Freunde nicht. „Na ja, das war’s
dann…“, sagt er.