Die besonderen Hefte

Gedichte

von ,

Vom Zauber des Unfasslichen

Durch das weite Gelände zeitgenössischer Lyrik, in der alles möglich ist zwischen der großen Form und dem kleinen Stück, hat Marlies Blauth ihren Weg gefunden. Die Begabungen der Lyrikerin und der bildenden Künstlerin vereint Marlies Blauth in dieser Veröffentlichung. Während ihre Gedichte gerade aus der konkreten Visualisierung ihre besondere Charakteristik beziehen, sind ihre Zeichnungen mit Pinsel und Kohlestaub auf Leinwand von abstrahierenden Verläufen geprägt, die die Gedanken der Texte frei umspielen: Landschaften, die sich zwischen Himmel und Erde auflösen und Blüten, deren fallende Blätter in Metamorphosen übergehen.
Die Texte sind in drei Partien zusammengefasst, die den Haupttitel thematisch aufgliedern und zyklische Strukturen aufweisen, mit denen Motive angespielt und verfolgt werden. Das Leitgedicht des ersten Teils ‚ruhrgebietsstadt‘ schlägt das Thema an: Impressionen aus der Heimat der Autorin. Die verborgenen Schätze einer auf den ersten Blick abstoßenden Stadt im Bergbaurevier sind metaphorisch verlockend eingekleidet: ‚mein Gold ist noch immer in Kohlepapier verpackt‘. Doch nicht immer ist die Wiederentdeckung angenehm, und die durchgehenden Enjambements in ‚man könnte sagen‘ übertragen den Bruch mit den Erwartungen: Es ist nicht mehr, wie es war. Als Leser muss man sich zwischen den Zeilen ebenso zurechtfinden, wie das lyrische Wir sich in einer Stadt verortet, in der die persönlichen Koordinaten nicht mehr gültig sind. Das Gewesene und das Gegenwärtige werden ineinander verwoben und stellen die Frage nach dem Verrinnen der Zeit.
(Aus den Nachworten von Jutta Höfel)