Die gestundete Zeit

von

Acht Jahre nach dem Krieg, 1953, erschien der erste Gedichtband einer jungen Kärntnerin in einem Frankfurter Verlag: Die gestundete Zeit. Für die Autorin Ingeborg Bachmann wie für ihre Generation konnte die große Hoffnung nach dem Krieg – »für mich ist Frieden, Frieden« (Kriegstagebuch) – nicht von Dauer sein. Das Titelgedicht beginnt mit den Zeilen »Es kommen härtere Tage. / Die auf Widerruf gestundete Zeit / wird sichtbar am Horizont«. Die Themen der Gedichte sind repräsentativ für das Schreiben nach 1945: Aufbruch und Abschied, Schuld und Gedächtnis. Und sie belegen den Anfang einer radikalen Moderne, in der zum ersten Mal eine weibliche Stimme ihre ungebrochene Subjektivität zur Geltung bringt.Somit sollte die Vorhersage von Alfred Andersch sich bewahrheiten, der der Autorin bescheinigte, sie stehe am »Beginn des Weges einer dichterischen Kraft, die sich ebenso unaufdringlich wie unüberhörbar erhebt«.Besonderen Stellenwert gewinnt in diesem Band der geheime Dialog mit der Lyrik Paul Celans, der bereits im Mottogedicht anklingt:
Wohin wir uns wenden im Gewitter der Rosen,ist die Nacht von Dornen erhellt, und der Donner des Laubs, das so leise war in den Büschen,folgt uns jetzt auf dem Fuß.