Die Pilzsammlerin

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Jede Familie schleppt eine Geschichte mit sich herum, und wenn es ans Erben geht, bricht häufig auf, was lange unter der Decke gehalten war. Auch die junge Sára wird durch den Tod der Mutter aus ihrem eingespielten, eintönigen Leben geholt. Und ihre Probleme werden immer drängender: Die alte Wochenendhütte der Familie, bislang sowohl Rettung als auch Schatten der Vergangenheit, verfällt zusehends. Ihr droht der Verlust der Invalidenrente, die Kneipe, in der sie die gesammelten Pilze verkauft, bekommt einen neuen Besitzer, und die Brüder, für die sie lange nicht existierte, geben einfach keine Ruhe mehr.

Jeden Morgen zieht Sára die alten Schuhe ihres Vaters an und geht auf die immer selbe, 25 km lange Pilztour. Ganz allmählich steigt sie in den Rückblenden immer tiefer in ihre Kindheit hinab. Und die Ich-Erzählerin muss die Vernachlässigung ihrer physischen und psychischen Bedürfnisse erst auf die Spitze treiben, bevor es eine Chance auf Heilung gibt.

Viktorie Hanišová bricht in klarer, in ihrer Sachlichkeit manchmal zynisch wirkender Sprache eine Lanze für die Kinder, die von ihren Eltern verraten und allein gelassen wurden, und en passant auch für die Außenseiter unter uns. Erzählerisch gekonnt führt sie durch ein schwieriges Thema, wobei Pilze und ihr weitreichendes unterirdisches Myzel den Erzählungsbogen zusammenhalten und ihm eine eigene Schönheit und Projektionsfläche für die Welt der Menschen verleihen.

Wenn Sie also beim Lesen nebenbei auch noch Lust auf Pilze oder einen Besuch des Böhmerwaldes in sich verspüren, tut das der Ernsthaftigkeit dieser traurigen Geschichte keinen Abbruch.