Die Tiefe der Zeit

Zwei langsame Geschichten

von ,

DIE TIEFE DER ZEIT

Es fächelte und flügelte von allen Seiten. Es sirrte.
Das Kind fand sich in der Wärme des großmütterlichen Schoßes und empfand sich so sehr zuhause, als wollte es dort für immer bleiben.
Es rieb das Gesicht am hauchdünnen Stoff des Hauskleids der alten Frau. Sah mit geschlossenen Augen in die Tiefe des geblümten Musters:
Ein Nachhall von Blau und Rot, von Rosa und Grün sammelte sich in seinem Gedächtnis.

Und das Gedächtnis glich einer vertieften Geste.
Und das Gedächtnis tut es heute noch.

Manchmal bewegte das Kind den Kopf, die Sonne, die Mitte ein wenig weg von diesem warmen Nest, lauschte kurz, blinzelte.
Bewegte zögernd die Augen, als suchten diese eine andere Jahreszeit, einen anderen Ort.
Doch es war Sommer. Durch und durch.

Dann wieder bewegte das Kind seine Augen fluchtartig, als wollte es sich genau dieses einen Sommers vergewissern.
Und es bewegte seine Innerseele zeitgleich mit den Augen.
Die jedoch verschwand sogleich wieder gemeinsam mit dem Kind im Stoffnest. Die Innerseele war ebenso lebendig wie zerbrechlich.
Nach außen trug sie stets ein Lächeln, ein Sosein.