Die unsichtbaren Dorfkirchen

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Jan Raues knappe Prosatexte über halb fiktive, halb reale brandenburgische Dorfkirchen wollen das Spröde der dortigen Landschaft und Menschen greifbar machen. Das Schema von Feld, Stein, Dorf und Kirche, das man von Ausflügen in die Mark zu kennen glaubt, wird aufgelöst, indem sich im Text die Feldsteindorfkirchen selbst auflösen. Man mag das auch als Metapher für deren Gefährdung durch Krieg, Verfall und – ganz aktuell – Schwinden der Gemeinden lesen. Jede der Kirchen wird zu einem Individuum, das auf seiner je eigenen Geschichte, Unverwechselbarkeit und Bedeutung beharrt.
Hans Burger reflektiert dies in kongenialen Illustrationen. Er entwirft darin eine Art inneres Abbild der unsichtbaren Bauten. Seine Miniaturen mit warmen, der Natur abgeschauten Farbflächen, die von Andeutungen architektonischer Zeichnungen gekreuzt und von leuchtenden Sprenkeln überzogen werden, kreisen und fabulieren um ihr Geheimnis. Die Autoren sehen ihr Büchlein auch als Hommage an Italo Calvinos Prosagedicht »Le città invisibili«, in dem geschildert wird, wie Marco Polo dem Kublai Khan von seinen Reisen in die »unsichtbaren Städte« berichtete.
Burger und Raue sind in Berlin lebende Restauratoren, die sich vom Studium in den 1980er Jahren an der Hochschule für Bildende Künste in Dresden her kennen und seither Jahr für Jahr in mancher brandenburgischen Dorfkirche die Wege zu deren Erhaltung gemeinsam erkundeten: ersterer als Mitarbeiter des Landesamts für Denkmalpflege, letzterer als freier Restaurator, heute in der Ausbildung des Restauratoren-Nachwuchses an der Fachhochschule in Potsdam tätig. Als gebürtige Sachsen haben sie sich den Blick der Außenstehenden auf alles Schrullig-Skurrile bewahrt, das die Mark und die Märker aus ihrer Sicht auszeichnet – im brandenburgischen Sand sehen sie weniger dessen Kargheit als ein goldenes Funkeln. Hans Burger hörte nie auf, die Kunst zu pflegen, und entwarf u. a. die neuen Glasfenster in der Marienkirche in Frankfurt (Oder). Jan Raue schreibt zu kunstgeschichtlichen und restauratorischen Themen, wobei er auch in seinen wissenschaftlichen Texten gern einmal den Blick hebt, um dem Rauschen der Zeit samt Vogelgezwitscher zu lauschen.