Die Zärtlichkeit des Eisenkeils

Roman

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Er galt in der Antike als Liebling der Götter. Seine Schönheit, seine Merkwürdigkeit seien kaum zu übertreffen, hieß es, und seine Stimme beschreibt Oppianos mit den Worten: „Kein Mensch kann einen Vogel nennen, der lieblicher sänge als ein Eisvogel.“
In Oberösterreich, Brandstetters Heimat, nennt man ihn nicht ohne Ironie Eisenkeil. Lange glaubte man ihn verschollen, wenn nicht gar ausgestorben, doch 1998, in dem Jahr, als Alois Brandstetter sechzig Jahre wurde und zugleich Ehrenbürger seiner Heimatgemeinde Pichl, tauchte der Vogel seiner Kindheit dort plötzlich wieder auf. Ein willkommener Anlass, um ihm nach allen Regeln der poetischen Zoologie nachzuspüren, angefangen vom mythischen Altertum bis zu seiner überraschenden Epiphanie. Der Ruf der Treue und Zärtlichkeit, die dem Eisvogel seit Aristoteles und Ovid nachgesagt werden, sind Ausgangspunkt für sehr persönliche Bekenntnisse Brandstetters: „Das Besondere an meinem unabenteuerlichen Leben besteht wohl darin, dass ich mit dem nicht Besondern besonders achstsam umgegangen bin, mit dem Unspektakulären bei meiner Schriftstellerei mein Auslangen gefunden habe und aus dem nicht Prächtigen oder Glänzenden merkwürdigerweise Funken geschlagen habe.“