Domenico Di Nunzio – Fotografie

2012. Hg: piccola pausa. Text von Nikolaus Cybinski

von

Noch immer ist Johann Wolfgang von Goethe der geheime
Gewährsmann aller deutschen Italienfahrer. Doch was passiert,
wenn ein Italiener, noch dazu in Deutschland geboren
und lebend, von dem Sehnsuchtsvirus befallen ist? Wird er
bei seinen Reisen in das Land, das seine Eltern zwar ver –
lassen, aber doch nie wirklich hinter sich gelassen haben,
Italien mit der Seele suchen? Domenico Di Nunzio jedenfalls
ist nie mit leeren Händen nach Lörrach zurückgekehrt.
Seit den 1980er Jahren hat er die Augenblicke, die ihm in
den Städten und Dörfern Italiens zugefallen sind, in
Schwarz-Weiß-Aufnahmen festgehalten. Sie zeigen die
theatralische Seite des Landes, einen Alltag, der auf die
Bühne gehoben wird. Und um Zeuge dieser kleinen
liebenswürdigen Szenen zu werden, muss man wohl wie
Domenico Di Nunzio Nähe mit Distanz verbinden können.
In Di Nunzios Fotografien wird die ansonsten so allmäch –
tige Antike zum beiläufigen Hintergrund. Die Hauptrollen
nehmen ein: miteinander alt gewordene Paare, Kinder, die
Maiskolben abnagen, Prozessionsteilnehmer und eine
erstaunlich junge Nonne. Niemand, der hier nicht dem
Leben zugewandt wäre. Domenico Di Nunzio wird Zeuge
zufälliger Straßenszenen. Der mitunter beschwerliche
Alltag wird in seinen Fotografien keinesfalls beschönigt,
doch die Menschen erdulden ihn nicht, sie verschwenden
sich an den Augenblick.