Doppel- und mehrgleisige Berufsverläufe als Erwerbsbiografien der Zukunft?

Theoretische und empirische Analysen am Beispiel der Profession Psychologie

von

Doppel- und mehrgleisige Berufsverläufe mit einer Parallelität von Erwerbstätigkeiten kommen im
Laufe des Wandels der Arbeitsgesellschaft immer häufiger vor und einige Autoren sehen darin sogar
„die“ Erwerbsbiografien der Zukunft. Berufsbiografische Daten aus dem Projekt „PROFIL“ an der Freien
Universität Berlin zeigen, dass in der Psychologie solche sog. Portfolio-Karrieren am häufigsten vorkommen
und als charakteristisch für die Profession gelten können.
Am Beispiel dieser Profession und anhand der „PROFIL“-Daten werden theoretische und empirische
Analysen zur Mehrfachbeschäftigung und zur Doppel- und Mehrgleisigkeit von Erwerbstätigkeiten
durchgeführt. Die vorliegende Arbeit fasst zum ersten Mal interdisziplinär den Stand der Forschung
zusammen und beleuchtet die Bedeutung dieses Phänomens für die Psychologie und deren Professionsangehörige.
Im Rahmen eines interaktionistischen Modells wird das Zusammenspiel der wichtigsten
Einflussfaktoren der mehrgleisigen beruflichen Entwicklung von der gesellschaftlichen über die
professionsspezifischen bis zur individuellen Ebene untersucht. Die Entstehung solcher Berufsverläufe
wird durch den Strukturwandel der Arbeit sowie durch Professionsmerkmale begünstigt, aber z. T. auch
durch den Arbeitsmarkt und individuelle finanzielle Bedürfnisse erzwungen. Interviews bei einer Teilstichprobe
haben ergeben, dass PsychologInnen diese Doppel- bzw. Mehrgleisigkeit in der Regel selbst
wählen und positiv bewerten; denn sie entspricht ihrem Streben nach Selbstverwirklichung, inhaltlicher
Breite, Autonomie, zeitlicher Flexibilität sowie Work-Life-Balance. Nur wenige Personen müssen
aus finanziellen Gründen mehrere geringfügige „Jobs“ ausüben und fühlen sich durch Vereinbarkeitskonflikte
belastet. Es lassen sich unterschiedliche Formen von Portfolio-Karrieren und unterschiedliche
Typen von mehrgleisig Tätigen unterscheiden: „arbeitszentrierte Selbstverwirklicher“ und „Familienernährer“,
„Balancierende“ sowie „Konfliktbelastete“. Auch aus der Sicht der Profession kann die berufliche
Doppel- und Mehrgleisigkeit überwiegend positiv bewertet werden: PsychologInnen mit solchen
Berufsverläufen tragen zum Zusammenhalt der Profession bei, indem sie der Überspezialisierung und
der Beziehungslosigkeit zwischen den Teildisziplinen entgegenwirken.