Drei ganz Besondere

Bücher aus und über Franken

Hermann Glaser gehört zu den Autoren, deren Schreiben zu Leidenschaft wird, wenn sie unter bzw. an etwas leiden. Er leidet nach wie vor an den Folgen der Kulturzerstörung durch Nationalsozialisten, und so antwortet er u.a. mit seinen Büchern Adolf Hitlers Hetzschrift ‚Mein Kampf’ sowie mit Und du meinst, so bliebe es immer. Ebenso leidet er an Kultur-Abwertungen durch bloße Event-Strohfeuer. Daraus ergibt sich die Frage: Wie kann aus Verwinden und Verarbeiten ein Überwinden werden?
Nachdem Hermann Glaser 2015 sein großes Panoramabuch Franken – Eine deutsche Literaturlandschaft veröffentlicht hatte, da kam ihm nach diesem facettenreichen Rückblick der blitzgescheite Einfall: „Autoren, die ihr in Franken lebt, schreibt Euch wie Pfadfinder hinein in unser Jetzt!“
Diesen futur-besessenen Impuls gab er an den beherzten Verleger Johann Schrenk weiter: Mit der Vision, daß eine neue Buchreihe wie ein Fackel-Staffettenlauf beginnen könnte.
Konkreter Plan: Noch in diesem Jahr zu beginnen mit der ersten Staffel von 5 erschwinglichen Bänden Buchfranken, der im darauffolgenden Jahr zwei weitere Fünfer-Staffeln folgen sollen.
Seit unserer 2006 begonnenen Wieder-Annäherung entwickelte sich ein intensiver Austausch, der zu Freundschaft wurde. Als Hermann Glaser von seiner Franken-Literatur-Erweiterung sprach, war ich auf der Stelle dafür. Um Vorschläge war ich nicht verlegen, denn am Herzen lagen mir drei Gegenden, zu denen ich in Franken einen besonderen Bezug habe – auch unter dem Aspekt des Fränkisch-Unerschöpflichen. Dieses Gebiet ist deckungsgleich mit drei Landkreisen: Fürth – Neustadt an der Aisch-Bad Windsheim und Ansbach.
Auf meine 1943er Geburts-Heimat Konstanz am Bodensee folgte 1948 die Verpflanzung in meine Kindheits-Dorf-Heimat Thalmässing, im südlichen Mittelfranken. Daß ich anschließend in die Stadt Fürth und von dort aus in die Kreisstadt Neustadt an der Aisch weiterverpflanzt worden bin: das geschah im Zuge natürlicher Eltern-Gefolg-
schaft. Erst nachdem ich in Fürth, meiner 3. Gymnasiums-Stadt, nach Schwabach und Neustadt/Aisch, mit Glanz und Gloria durchgefallen war, konnte ich selbst gewählt ausbrechen: Ins unterfränkische Münnerstadt. Dort wohnte ich zuerst bei den Augustinern, dann als freier Stadtschüler. In der Schule dieses Rhön-Athens hatten wir Welttür-Öffner als Lehrer – für Literatur, Musik, Theater, Sprachen und Kunst; in Mürscht begegnete ich zudem Friedrich Hielscher, und der öffnete mir die Tür in Ernst Jüngers Bücher-Weit-Welt.
Nach dem Abitur in Unterfranken kam die Einbestellung zur Bundeswehr: Von Neustadt a.d.Aisch mit einem Katzensprung in die Fernmelde-Ausbildungskompanie bei Oberdachstetten, und die gehörte zum Fm-Btl. 220 in Katterbach bei Ansbach.
Ohne die Folgen absehen zu können, wurden diese drei Landkreise Fü, NEA & AN zu einem Präge-Trio. Es gelang mir aus freien Stücken, nach der 1972er Entscheidung zum freischaffendern Schriftsteller, als fränkischer Europa-Zigeuner, in diesen drei Landkreisen Zusatz-Heimat zu gewinnen, die sich anregend auf das schreibende Entdecken auswirkt.
Mein sesshaftes Vagabundieren, von zwei Wohnsitzen aus, Nürnberg und Neidhardswinden, wurde stets mitgetragen von meiner Frau Ingrid, die als Sozialpädagogin ein ganz anderes Berufsfeld bestellte.
Im Jahr 2007 erschien mein Porträtbuch über den Landkreis Fürth – mit dem Titel BesonderLand. Der Begriff BesonderLand gefiel Herman Glaser gut – und so war der Titel für mein erstes Buchfranken-Buch bald gefunden: Drei ganz Besondere. Diese Drei haben einen besonderen Berührungspunkt: An ihrem Drei-Länder-Eck, im Fürther Landkreis-Westen, nahe Kreben, berühren sie einander. So zusammenhängend ergibt sich ein besonderer Zusammenhang – autobiografisch und topografisch begründet.
Drei ganz Besondere beginnen mit Miniaturen aus dem Landkreis Fürth; es sind Ausschnitts-Vergrößerungen, die in regelmäßigen Abständen innerhalb von drei Jahren entstanden. Auf Fü folgt der Landkreis NEA; ihn repräsentiert mein Neidhardswinden – ein Noch-Dorf auf der Frankenhöhe: Entstanden aus dem einstündigen Porträt für den Bayerischen Rundfunk. Dabei bleibt der Autor im Hintergrund: Quer durch alle Generationen kommt das Dorf selbst zu Wort, wobei ein vielstimmiges Selbstporträt entsteht. Auch mein Hesselberg hat als Kern mein O-Ton-reiches Porträt für den Bayerischen Rundfunk, das hernach noch ergänzt wurde. Dieses Trio bilden also Ein Land – Ein Dorf und Ein Berg.
Dank Hermann Glasers Impuls ist auch mein zweiter Buchplan für diese Reihe schon klar umrissen: Es wird ein Band über Kindheits-Tage in Franken (Bd. 09) – und zwar so angelegt, daß aus jeweils unterschiedlichen Generations-Perspektiven die Mutter, der Vater, die Eltern, die Kindheits-Zeit-Landschaft in höchst verschiedenen Facetten dargestellt werden. Maler- und Bildhauer-Bilder ergänzen die Texte. Scherzhaft nannte Hermann Glaser diesen Plan Das Muttertags-Buch. Sein Titel lautet: Dein Geburts-Tag ist auch Mutters Tag!
Die fränkisch-bunte Mischung enthält u.a. Beiträge von Jakob Wassermann, Hermann Kesten, Gottlob Haag, Wilhelm Staudacher, Engelbert Bach, Gerhard Wagner, Angela Baumann, Ludwig Fels, Fitzgerald Kusz, Claus Henneberg, sowie von den bildenden Künstlern Arbeiten von Felix Müller, Michael Mathias Prechtl, Eitel Klein und vom Bildhauer Wilhelm Uhlig.
Vielleicht kommt als drittes Buch eine Vision hinzu: Welche Köpfe könnten einmal eine Fränkische Walhalla füllen?

Godehard Schramm