Edition Belletristik

von

Max Czolleks neuer Gedichtband Gegenübertragungen ist eine Grand Tour durch die Gegenwart: durch Orte, Diskurse — und durch die Geschichte. Denn gegenwärtiges Sprechen ist bei Czollek immer auch Sprechen mit der Vergangenheit: eine Form von Gegenwartsbewältigung. Dieser Ungleichzeitigkeit der Zeit — dieser kette aus kalenderblättern. das gefühl, als wäre beim reißverschluss der schieber kaputt — begegnet Czollek mit den Mitteln der Dichtung, mit Metapher und Collage. Es kreuzen sich Istanbul und die Uckermark, Anne Frank und Freddy Mercury, die Tora und Fake News, alttestamentarischer Sprachduktus und Gangstafiction. Czollek folgt diesen Strömen, den chitingrünen spulen der strommasten / als statisch summende zikaden. Dabei ist er kein passiver Chronist, seine Verse sind jederzeit bereit, zurückzuschlagen, sich Sprachordnungen anzueignen und neu zu formatieren. Gegenübertragungen ist eine diskursive Landgewinnung mit poetischen Mitteln. Max Czollek ist dabei in jeder Zeile spürbar — und so ist Gegenübertragungen nicht nur ein Logbuch der Gegenwart, sondern auch eines des Dichters selbst: Ich komme mir vor, als säße ich in einem meiner Gedichte. Und vielleicht tue ich das auch.