Edition Solitude

Erzählungen

von

Eine neue Erzählerin aus Österreich: Erinnerungslandschaften, vergiftet

Gerda E Grossmann stellt sich mit ihrem ersten Buch als Autorin vor, für die Erzählen noch eine elementare Bedeutung hat: einen Erinnerungsraum zu schaffen für von Menschen gestaltete und erlebte Geschichten. Die Sprache, die sie verwendet, passt sich sicher den verschiedenen Tonlagen an. Geschichten, die von Lakonie und Reduktion bestimmt sind, stehen neben Prosastücken, die einer gehetzten, bedrängenden Atmosphäre Ausdruck verleihen; Erzählungen von fiebriger Dichte wechseln sich mit nur scheinbar sentimentalen Erinnerungstexten ab.

Die Sujets der Geschichten sind vielfältig, doch sie kreisen alle um das Thema des Übergriffs, der Verletzung, der Gewalt. Wie mit einem Schlaglicht wird die Geschichte einen Hauses und seines Vorbewohners beleuchtet; der Text „Inländergraukäs“ handelt von einem debilen Bauern, der Videorealität zur Wirklichkeit macht, erzählt aus der Perspektive des Opfers; oder eine Kette von Assoziationen, Gedankensprüngen und Gedächtnisfetzen, ausgelöst durch ein Morsealphabet: ich liebe dich nicht mehr.

Gerda E Grossmanns Prosa zeichnet das Gespür für Atmosphäre und Zwischentöne aus. Immer wieder sind es sinnliche Reize, sehen, berühren, schmecken, fühlen, die den Erzählungen Halt geben. Die Nähe zur filmischen Praxis ist hier ebenso zu spüren wie bei der Sorgfalt für Details, für Farben, Lichtspiegelungen, Perspektiven. Zusätzliche Schärfe erhalten einige Texte durch harte Schnitte einzelner Szenen. Als führte die Ästhetik des Videos, des billigen Actionvideos Regie, kippen Bilder ins Schrille, Gewalttätige um. Keines dieser in sich geschlossenen Prosastücke lässt den Leser kalt.